Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

624 Vierte Ordnung: Raubtiere; dritte Familie: Marder.

Die Paarungszeit des Hermelins fällt bei uns in den März. Jm Mai oder Juni befommt das Weibchen 5—8 Junge. Gewöhnlich bereitet die Alte ihr weiches Bett in einem günſtig gelegenen Maulwurfsbaue oder in einem anderen ähnlichen Schlupfwinkel. Sie liebt ihre Kinder mit der größten Zärtlichkeit, ſäugt und pflegt ſie und ſpielt mit ihnen bis in den Herbſt hinein; denn erſt gegen den Winter hin trennen ſich die faſt vollſtändig ausgewachſenen Jungen von ihrer treuen Pflegerin. Sobald Gefahr droht, trägt die beſorgte Mutter die ganze Brut im Maule nach einem anderen Verſte>e, ſogar ſ{<wimmend dur das Waſſer. Wenn die Jungen erſt einigermaßen erwachſen ſind, macht ſie Ausflüge mit ihnen und unterrichtet ſie auf das gründlichſte in allen Künſten des Gewerbes. Die kleinen Tiere ſind auch ſo gelehrig, daß ſie ſhon na< kurzer Lehrfriſt der Alten an Mut, Schlauheit, Behendigkeit und Mordluſt niht viel nachgeben.

Man fängt das Hermelin in Fallen aller Art, oft auch in Rattenfallen in welche es zufällig gerät, kommt man dann hinzu, ſo läßt es ein durhdringendes Gezwitſcher hören; reizt man es, ſo fährt es mit einem quiekenden Schrei auf einen zu, ſonſt aber gibt es ſeine Angſt bloß dur leiſes Fauchen zu erkennen. Jn der Regel lebt auch ein alt gefangenes Hermelin nict lange, weil es, ebenſo reizbar wie das Wieſel ſich weder an den Käfig noh an den Pfleger gewöhnen will und entweder Nahrung verſchmäht oder ſi ſo aufregt, daß es infolgedeſſen zu Grunde geht. Jh habe viele Hermeline gefangen, ſorgſam gepflegt, niemals aber eins von ihnen am Leben erhalten können. Jung aus dem Neſte gehobene Wieſel dieſer Art dagegen werden ſehr zahm und bereiten ihrem Pfleger viel Vergnügen; einzelne ſoll man dazu gebracht haben, nah Belieben aus- und einzugehen und ihrem Heren wie ein Hund zu folgen. Aber auch alt gefangene machen zuweilen von dem eben Geſagten eine Ausnahme.

„Einige Tage vor Weihnachten 1843“, erzählt Grill, bekam ih ein Hermelinmännchen, welches in einem Holzhaufen gefangen wurde. Es trug ſein reines Winterkleid. Die {<warzen, runden Augen, die rotbraune Naſe und die \<hwarze Schwanzſpize ſtachen grell gegen die ſchneeweiße Färbung ab, welche nur an der Shwanzwurzel und auf der inneren Hälfte des Shwanzes einen ſhönen, ſ{<hweſelgelben Anflug hatte. Es war ein allerliebſtes äußerſt

bewegliches Tierchen. Jh ſeßte es anfangs in ein größeres, unbewohntes Zimmer, in wel--

hem ſi bald der dem Mardergeſchlehte eigene üble Geruch verbreitete. Seine Fertigkeit, zu klettern, zu ſpringen und ſi zu verbergen, war bewundernswert. Mit Leichtigkeit kletterte es die Fenſtervorhänge hinauf, und wenn es dort oben auf ſeinem Plage erſchre>t wurde, ſtürzte es ſi oft plößlih mit einem Angſtſchrei auf den Fußboden herunter. Am zweiten Tage lief es an der Oſfenröhre hinauf und blieb dort, ohne etwas von ſi hören zu laſſen, bis es endlih, na< mehreren Stunden, mit Ruß bede>t wieder zum Vorſchein kam. Oft foppte es mi ſtundenlang, wenn ih es ſuchte, bis ih es zulegt an einem Orte verſte>t fand, wo ih es am wenigſten vermutete. Da das Zimmer nicht geheizt wurde, ſuchte es ſi< bald jein Lager in einer Bettſtelle und wählte ſih einen beſonderen Plag, den es jedoch glei< verließ, wenn jemand in die Thüre trat. Das Bett blieb aber von nun an ſein liebſtes Verſte>. Gewöhnlich ſucht es dieſes auf, wenn man raſch auf es zugeht; aber wenn man ihm freundlih zuredet und ſich ſonſt ſtill hält, bleibt es oft in ſeinem Laufe ſtehen oder geht neugierig einige Schritte vorwärts, indem es ſeinen langen Hals ausſtre> und den einen Vorderfuß aufhebt. Dieſe ſeine Neugier iſt au< allgemein bekannt, ſo daß das Landvolk zu ſagen pflegt: „Wieſelchen freut ſi<, wenn man es lobt“. Wenn es ſehr aufmerkſam, oder wenn ihm etwas verdächtig iſt, ſo daß es weiter ſehen will als ſein niedriger Leib ihm erlaubt, ſeßt es ſih auf die Hinterbeine und richtet den Körper hoh auf. Es liegt oft mit erhobenem Halſe, geſenktem Kopfe und aufwärts gekrümmtem Rücken. Wenn es läuft, trägt es den ganzen Körper fo dicht dem Boden entlang, daß die Füße kaum zu bemerken

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