Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

626 Vierte Ordnung: Naubtievre; dritte Familie: Marder.

gegeben hat, eine Ähnlichkeit zwiſchen ihm und dieſen Tieren zu finden. Beim Freſſen hält es die Augen faſt geſchloſſen und runzelt Naſe und Lippen ſo auf, daß das ganze Geſicht eine platte Fläche bildet. Wenn es dann das geringſte Geräuſch hört, wird es aufmerkſam und mordet oder frißt niht, ſolange es ſi< beobahtet glaubt. Einen kleinen lebendigen Vogel fällt es gewöhnlich niht gleih an, ſondern erſt dann, wenn alles ſtill iſt und der Vogel aus Furcht wie unbeweglich daſißt; dann unterſucht es ihn, und wenn es ein Zeichen von Leben ſieht, tötet es denſelben dur< Zerquetſchen des Kopfes, aber ſelten {nell und auf einmal, läßt ihn vielmehr faſt immer lange im Todeskampfe zappeln: eine Grauſamkeit, welche es auch gegen eine große Wanderratte bewies, die ih lebendig zu ihm hineinließ. Zuerſt ſprangen beide lange umeinander herum, ohne ſi anzufallen: ſie ſchienen ſi voreinander zu fürhten. Die ungewöhnlich große Ratte war ſehr dreiſt, biß boshaft in ein durs Gitter geſte>tes Stäbchen und hatte in wenigen Minuten die Milch des Hermelins ausgetrunken. Dieſes ſaß ganz ſtill am anderen Ende des meterlangen Bauers. Es ſah aus, als wäre die Natte dort ſchon lange zu Hauſe und das Hermelin eben erſt hineingekommen. Nach vollendeter Mahlzeit wollte indeſſen die erſtere ſih auc ſoweit wie möglich von dem Hermelin entfernt halten; als ich ſie aber zwang, näher zu kommen, war immer ſie die angreifende, und wären Größe und Bosheit allein entſcheidend geweſen, hätte ih gewiß mit den übrigen Zuſchauern geglaubt, daß der Ausgang ſehr ungewiß ſei. Das Hermelin ſcien ſogar ‘einigemal zu unterliegen: daß es doh überlegen war, ſah man an den ſhnelleren und ſicheren Hieben, womit es ſih verteidigte. Wie eine Schlange zog es ſich zurü> nah den Anfällen, welche ſo ſchnell geſhahen, daß man niht Zeit hatte, den geöffneten Rachen zu ſehen. Es war ein Kampf auf Leben und Tod. Die Ratte knirſ<hte und piepte beſtändig, das Hermelin bellte nur bei der Verteidigung. Beide ſprangen umeinander und gegen das Dach des faſt meterhohen Bauers hinauf. Als ich ſie lange gegeneinander aufgereizt hatte und die Ratte weniger kampfluſtig wurde, begann auch das Hermelin mit ſeinen Angriffen. Alle Anfälle geſchahen offen, von vorn und nah dem Kopfe gerichtet. Keins ſ{<li< ſi< hinter das andere. Bei dem leßten Zuſammentreffen kam das Hermelin auf den Nüken der Ratte, preßte die Vorderfüße dicht hinter den Schultern der Ratte feſt um ihren Leib zuſammen, und da dieſe ſih folglih niht mehr verteidigen konnte, lagen beide längere Zeit auf der Seite, wobei der Sieger ſich in den Oberhals der Natte hinein\raß, bis dieſe endlih ſtarb. Dann zerquetſchte es ihr das Nückgrat der Länge nach und ließ beim Verzehren faſt die ganze Haut, den Kopf, die Füße und den Schwanz zurü>. Ganz auf gleiche Weiſe verfuhr das Hermelin mit einer anderen, ebenſo großen lebendigen Natte. Jh habe nie geſehen, daß es den Säugetieren oder Vögeln, welche es getötet, das Blut ausgeſogen hätte, wie man zuweilen angibt, aber wohl, daß es ſie gleih auffraß.

„Erſt am 7. Mai, nachdem ih das Tier ungefähr 41/2 Monate gehabt hatte, verſuchte ih, ihm zu ſhmeicheln, obwohl mit Handſchuhen verſehen. Wohl biß es in dieſe hinein, aber i< fühlte keine Zahnſpißen, und no< weniger ließ es Spuren zurü>. Zuerſt ſuchte es meinen Liebesbezeigungen auszuweichen, zuleßt aber ſchienen ſie ihm ſichtbar zu behagen: es legte ſih auf den Rücken und {loß die Augen. Am folgenden Tage wiederholte ih meine Verſuche, da ih mir feſt vorgenommen hatte, es ſo zahm wie mögli<h zu machen. Bald zog ih den Handſchuh ab und beſchäftigte mich mit ihm, doh mit gleicher Sicherheit als vorher. Es ließ ſi<h willig ſtreicheln und krauen, ſoviel i< wollte, die Füße aufheben 2c., ja, i< tonnte ihm ſogar den Mund öffnen, ohne daß es böſe wurde. Wenn ih es aber um den Leib faßte, glitt es mir leiht und {nell wie ein Aal aus den Händen. Man mußte ihm [eiſe nahen, wenn es niht bange werden ſollte. und die Hauptregel bei dieſer ſowie der Behandlung anderer wilden Tiere beachten: zu gleicher Zeit zu zeigen, daß man nicht bange iſt und dem Tiere nihts Böſes thun will.

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