Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

Hermelin: Gefangenleben. Kämpfe, Nerz. 627

„Doch bald war es aus mit meiner Freude. Das Hermelin ſchien mit größerer Schwierigkeit als vorher leine Mäuſe und Vögel zu verzehren, und am 15. Zuli lag mein hübſcher „Kiſſe“ tot in ſeinem Bauer, nahdem er mir 7 Monate ſo manches Vergnügen geſchenkt hatte. Jh ſah nun deutli, was ih ſchon lange zu bemerken geglaubt hatte, daß alle Zähne, außer den Raubzähnen in der Oberkinnlade, beinahe ganz abgenußt waren, die Eczähne am meiſten. Kam dies vom hohen Alter? Oder hat das Hermelin ſie durch das Beißen in das Eiſengitter abgenußt beim Arbeiten für ſeine Freiheit? Wahrſcheinlich hat beides zuſammengewirkt.

„Weil man anzuführen pflegt, daß das Hermelin, wenn es gereizt oder erſchre>t wird, eine übelriehende Feuchtigkeit aus den Shwanzdrüſen ergießt, will ih noh mitteilen, daß mein Hermelin dieſes niemals aus reiner Bosheit, auch niht, wenn es ſehr gereizt wurde, ſondern nur beim Erſchre>en that. Wenn es bellend und ziſchend mit geſträubten Shwanzhaaren hervorſtürzte — und dies that es immer, wenn es böſe war — verbreitete ſich niemals diefer Geruch, niht einmal während der Kämpfe mit den größten Natten, aber wohl, wenn es die Flucht ergriff. Fm Anfange der Gefangenſchaft traf leßteres oft ein, weil es da bei jedem Geräuſche oder jeder eingebildeten Gefahr gleih bange ward, aber nachdem es daran gewöhnt und heimiſch geworden war, ſehr ſelten, und nah 2 oder 3 Monaten erinnere ih mich nur einer einzigen Gelegenheit, nämlih, als ih die Thür ſeines Käfigs heftig- zuſhlug. Es ward darüber ſo erſchre>t, daß es bis an die Dede hinaufſprang, und der Geruch verbreitete ſi< augenbli>li< ſo ſtark wie in den erſten Tagen. Jh bin daher geneigt, anzunehmen, daß dieſe Ergießung niht von dem freien Willen des Tieres abhängt, ſondern durchaus unfreiwillig geſchieht. Es iſt wahrſcheinlich, daß das Hermelin bei großem Schre>en die Schließmuskeln der Afterdrüſen niht zu {ließen vermag, und daß deshalb die Flüſſigkeit frei wird. Dasſelbe Verhältnis möchte auh wohl bei allen verwandten Tieren, welche mit derartigen Drüſen verſehen ſind, ſtattfinden. Es iſt au< natürli! Wenn das Tier Grund hat, ſih zu fürchten, bedarf es dieſer kleinen Hilfe in der Stunde der Gefahr; aber wozu ſollte ſie dienen, wenn das Tier überlegen iſt oder im Vertrauen auf ſeine Kraft es zu ſein glaubt?“

Das Fell des Hermelins gibt ein zwar nicht teures, ſeiner Schönheit halber jedo< geſhäßtes Pelzwerk. Früher wurde dasſelbe nur von Fürſten getragen, gegenwärtig iſt es allgemeiner geworden. Nach Lomer gelangen jährlih etwa 400,000 Hermelinfelle im Geſamtwerte von 300,000 Mark in den Handel, die beſten von Barabinsk und Fſchim, minder gute vom Jeniſſei und von der Lena. Fn Südoſtſibirien wird das Hermelin, laut Nadde, erſt in neueſter Zeit eifriger gejagt, und ſeit 1856 etwa werden 10—15 Kopeken Silber (32—48 Pfennig) für das Fell bezahlt, während man früher des geringen Preiſes halber das Tier gar nicht verfolgte.

Der Nerz und ſeine nächſten Verwandten ſind dem Jltis ungemein nahe ſtehende Marder, welche ſih von ihm einzig und allein unterſcheiden dur den etwas platteren Kopf, den ſtärkeren Hö>erzahn, die kürzeren Beine, die namentlih an den Hinterfüßen deutlicher ausgeprägten Bindehäute zwiſchen den Zehen, den verhältnismäßig etwas längeren Schwanz und das glänzende, aus dicht und glatt anliegenden, kurzen Haaren beſtehende, an das der Fiſchottern erinnernde, auf der Ober- und Unterſeite gleichmäßig braun gefärbte Fell. Außer unſeren Nerz ſchildern wir ſeinen amerikaniſchen Vetter, den Mink. Bis in die neueſte Zeit war über die Lebensweiſe der beiden Tiere nur höchſt wenig bekannt und auch jeßt noh laſſen die veröffentlichten Beobachtungen viel an Vollkommenheit zu wünſchen übrig, wenigſtens was die europäiſche Art anlangt. Jh danke der Freundlichkeit eines Weidmannes aus

der Lübe>er Gegend wichtige Bereicherungen unſerer bisherigen Kenntnis, ſoweit dieſe den 40*