Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

640 Vierte Ordnung: Raubtiere; dritte Familie: Marder.

ſeinerſeits niedergeworfen ward, ſprangen auf, ſuchten ſi mit den Zähnen zu packen, zerrten ſih an den Shwänzen und kollerten von neuem ein gutes Stück über den Boden fort. Endete das Spiel und beziehentlih der Zweikampf, ſo trollten beide hintereinander her, dur<hmaßen ihren Käfig nach allen Seiten, dur<ſhnüffelten alle Winkel und Een, unterſuchten jeden Gegenſtand, welcher ſich fand, warfen Futter- und Trinkgefäße über den Haufen, ärgerten die rehtſhaffenen Waſchweiber, welche ihre Käfige zu reinigen hatten, dur unſtillbaren Forſchungseifer nah Dingen und Gegenſtänden, welche ſie unbedingt nichts angingen, erzürnten ſih wiederum und begannen das alte Spiel, achtſame Beobachter ſtundenlang feſſelnd. Ganz anders benahmen ſie ſih angeſichts des futterſpendenden Wärters. Alle Ungeduld, welche ein hungriges Tier zu erkennen gibt, gelangte jeßt bei ihnen zum Ausdru>e. Der Name Vielfraß wurde mir, als ih ſie zum erſtenmal füttern ſah, urplößlih verſtändlich. Winſelnd, heulend, knurrend, kläffend, zähnefletſhend und ſih gegenſeitig mit Ohrfeigen und anderweitigen Freundſchaſtsbezeigungen bedenkend, rannten ſie wie toll und unſinnig im Käfig umher, gierig nach dem Fleiſche bli>end, wälzten ſih, wenn der Wärter dasſelbe ihnen nicht augenbli>lih reihte, gleihſam verzweifelnd auf dem Boden und fuhren, ſobald ihnen der Brocken zugeworfen ward, mit einer Gier auf dieſen los, wie ih es noch bei keinem anderen Tiere, am wenigſten aber bei einem ſo ſorgſam wie ſie gepflegten und gefütterten, beobachtet hatte. Der unſtillbare Blutdurſt der Marder ſchien bei ihnen in Freßgier umgewandelt zu ſein. Sie ſtürzten ſich, alles andere vergeſſend, wie ſinnlos auf das Fleiſchſtü>, pa>ten es mit Gebiß und Klauen zuglei< und kauten nun unter lebhaftem Schmagen, Knurren und Fauchen ſo eifrig, ſhlangen und würgten ſo gierig, daß man nicht im Zweifel bleiben fonnte, die Fabelei der älteren Schriftſteller habe Urſprung und gewiſſermaßen auc Berechtigung in Beobachtung ſolcher gefangenen Vielfraße.

Nach Lommer gelangen jährlih etwa 3500 Vielfraßfelle im Werte von 32,000 Mark in den Handel, die meiſten von Nordamerika her. Jedenfalls aber werden weit mehr Vielfraße alljährlich getötet und ihrer Felle beraubt; denn nicht allein die Kamtſchadalen , ſondern auch die Jakuten und andere Völkerſchaften Sibiriens ſ{häßen leßtere ungemein hoh und zahlen ſie mit guten Preiſen. Nach Radde bleiben.-alle Felle der in Oſtſibirien exlegten Vielſraße im Lande und koſten ſhon an Ort und Stelle 4—5 Rubel das Stü. Die aſiatiſchen Völkerſchaften und ebenſo die Polen benugen ſie zu ſ{<hweren Pelzen, Amerikaner und Franzoſen dagegen zu Fußde>en, für welche ſie ſi<h der verſchiedenen Färbung und Haarlänge wegen vorzüglich eignen.

Zn Braſilien lebende, ſ{<hlank gebaute Mitglieder unſerer Familie vom Anſehen der Marder ſind die Huronen oder Griſons (Galictis). Sie kennzeichnen ſi durch ziemlich diden, hinten verbreiterten, an der Schnauze wenig vorgebogenen Kopf mit niedrigen, abgerundeten Ohren und verhältnismäßig großen Augen, niedrige Beine, mäßig große Füße mit fünf dur< Spannhäute verbundenen Zehen, welche ſcharfe, ſtart gebogene Krallen tragen und na>te, ſhwielige, an den Hinterbeinen bis zur Fußwurzel unter die Ferſen reichende Sohlen zeigen, mittel- oder ziemli<h langen Schwanz, ein kurzes Haarkleid und durch ihr von dem der übrigen Marder erhebli<h abweichendes Gebiß. Dieſes beſteht wie bei den Stinkmardern aus 34 Zähnen, zeichnet ſich aber beſonders dur deren Stärke aus; namentli gilt dies für die Schneide- und E><zähne des Oberkiefers, weniger für die oberen 4 und unteren 5 Backenzähne. Neben dem After finden ſi drüſige Stellen, welche eine ſtark nah Biſam riechende Feuchtigkeit abſondern.

tan hat au dieſe Gruppe in zwei Gattungen getrennt, die Unterſchiede ſind jedo< ſo unweſentlicher Art, daß wir ſie niht zu berüſihtigen brauchen.