Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

650 Vierte Ordnung: Raubtiere; dritte Familie: Marder.

Reben ohne Umſtände mit der Pfote zuſammen und mäſtet ſih förmlih mit ihrer ſüßen Frucht. Höchſt ſelten ſtiehlt er junge Enten und Gänſe von Bauernhöfen, welche ganz nahe am Walde liegen; denn er iſt außerordentli<h mißtrauiſh und furhtſam, wagt ſich deshalb au bloß dann heraus, wenn er überzeugt ſein kann, daß alles vollkommen ſicher iſt. Nicht ſelten geht er Aas an. Er frißt im ganzen wenig und trägt nicht viel für den Winter in ſeinen Bau ein; es müßte denn ein Möhrenaker in deſſen Nähe liegen und ſeiner Bequemlichkeit zu Hilfe kommen. Merklichen Schaden verurſacht der Dachs in Europa nicht, jedenfalls niemals und nirgends ſo viel, daß der Nußen, welchen er dur<h Wegfangen und Verzehren von allerlei Ungeziefer im Walde und in der Flur uns bringt, jenen nicht reihli<h aufwiegen ſollte. Unter allen Mardern iſt er der nüßlichſte und ein Erhalter, nicht aber ein Schädiger des Waldes: der Forſtmann, welcher ihn zu vernichten ſucht, ſündigt alſo an ſich ſelbſt und an dem von ihm gepflegten Walde.

„Mit dem Jgel“, bemerkt Adolf Müller, „hat man den harmloſen Grimbart der Zerſtörung der Waldſaaten bezichtigt. Beide Tiere ſind von unkundigen, oberflächlichen Beobachtern beim emſigen Suchen nah Larven und Maden in den Rinnen der mit Buchenoder Fichtenſamen beſäeten Flächen geſehen, für die Zerſtörer der zerkauten Samen gehalten und verfolgt worden. Als ob die Tiere nicht vielmehr den in ſolchen Saaten und gerade hier vorzugsweiſe ſih anſiedelnden ſhädlihen Engerlingen und anderen Larven oder gar Mäuſen nachſtellten. Schauet doch tiefer, ihr Pfleger und Erzieher der Wälder, die ihr niht die Böcke von den Schafen ſcheiden könnt; thut Dachs und Jgel aus dem abergläubiſchen Banne der alten Nimrode und in den Schuß der vorurteilsloſen Naturwiſſenſchaft. Betrachtet das Gebiß und vergleicht dies mit den Zähnen der Nager, und ihr werdet Dachs und Fgel nicht mehx für Waldſamen- oder gar Nadelholzſamendiebe halten. Die Nahrung des Dachſes iſt und bleibt die von Gliedertieren, und dadur<, verbunden mit dem Umſtande, daß er Mäuſe fängt, bekundet er ſich als eines der nüglichſten Tiere im großen Haushalte der Natur.“ '

Nicht ganz ſo harmlos wie bei uns zulande tritt der Dachs in Aſien auf. „Jn Oſtſibirien“, ſagt Nadde, „ſcheint er viel dreiſter und blutdürſtiger zu ſein als in Europa. Ex bleibt in den beſſer bevölkerten Gegenden ausſ<ließli< ein nächtliches Raubtier, was beiſpiel8weiſe im Burejagebirge, wo wir ihn 14mal bei Tage geſehen, niht der Fall war. Hier begnügte er ſi<h mit Mäuſen und Schlangen und hatte ſicher keine Gelegenheit, das junge Rindvieh zu beläſtigen, wie ex es überall in Transbaikalien thut. Fn den Hochſteppen Dauriens iſt es etwas ganz Gewöhnliches, daß er die Kälber ſeitwärts anſpringt. Die größeren von dieſen kommen gemeiniglih mit ſtarken Shrammen und Kraßwunden davon, während Shwächlinge dem Raubtiere unterliegen. Nach der Anſiedelung der Koſaken am Amux beläſtigten die Dachſe beſonders in den Ebenen oberhalb des Burejagebirges die Herden dieſer Leute.“

Zu Ende des Spätherbſtes hat ſih der Dachs wohl gemäſtet. Fett denkt er daran, den Winter ſo behaglih wie nux irgend möglich zu verbringen, und bereitet das Wichtigſte für ſeinen Winterſchlaf vor. Ex trägt Laub in ſeine Höhle und bettet ſih ein dites, warmes Lager. Bis zum Eintritte der eigentlichen Kälte zehrt er von dem Eingetragenen. Nun rollt er ſih zuſammen, legt ſih auf den Bauch und ſte>t den Kopf zwiſchen die Vorderbeine (niht, wie gewöhnlich behauptet wird, zwiſchen die Hinterbeine, die Shhnauzenſpite in ſeiner Drüſentaſhe verbergend) und verfällt in einen Winterſchlaf. Dieſer aber wird, wie jener der Bären, ſehr häufig unterbrochen. Bei nicht anhaltender Kälte oder beim Eintritte gelinderer Witterung, beſonders bei Tauwetter und in nicht ſehr kalten Nächten, ermuntert er ſi, geht ſogar zuweilen nahts aus ſeinem Baue heraus, um zu trinken. Bei verhältnismäßig warmer Witterung verläßt er ſhon im Januar oder ſpäteſtens im Februar zeitweiſe