Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

Dachs: Nüßlichkeit. Winterſchlaf. Fortpflanzung, 651 den Bau, um Wurzeln auszugraben und, wenn ihm das Glü> wohl will, auch vielleicht ein Mäuschen zu überraſchen und abzufangen. Dennoch bekommt ihm das Faſten ſchlecht, und wenn er im Frühlinge wieder an das Tageslicht ſteigt, iſt er, welcher ſich ein volles Bäuchlein angemäſtet hatte, faſt klapperdürr geworden.

Die Nollzeit des Dachſes findet im Oktober, ausnahmsweiſe (zumal bei jungen Tieren) ſpäter ſtatt. Nah 12—15 Wochen, alſo Ende Februar oder Anfang März, wirft die Mutter 3—5 blinde Junge auf ein ſorgfältig ausgepolſtertes Lager von Moos, Blättern, Farnkfräutern und langem Graſe, welche Stoffe ſie zwiſchen den Hinterbeinen bis zum Eingange ihres Baues getragen und dann mit gegengeſtemmtem Kopfe und den Vorderfüßen dur die Nöhre in den Keſſel geſchoben hat. Daß ſie dabei einen eigenen Bau bewohnt, verſteht ſih eigentlich von ſelbſt; denn der weibliche Dachs iſt ebenfogut ein eingefleiſchter Einſiedler wie der männliche. Die Jungen werden von ihr treu geliebt. Sie trägt ihnen nach der Säugezeit ſo lange Würmer, Wurzeln und kleine Säugetiere in den Bau, bis ſie ſelbſt ſih zu ernähren im ſtande ſind. Während des Wochenbettes wird es dem Weibchen \{hwer, die ſonſt muſterhafte Reinlichkeit, welche im Baue herrſcht, zu erhalten; denn die ungezogenen ‘Jungen ſind natürlih noh niht ſo weit herangebildet, um jene hohe Tugend zu würdigen. Da hat nun die Alte ihre liebe Not, weiß ſi aber zu helfen. Neben dem Keſſel legt ſie noh eine beſondere Kammer an, die der kleinen Geſellſchaft als Abtritt dienen und zugleih alle Nahrungsſtoffe aufnehmen muß, welche die Jungen nur teilweiſe verzehren.

Nach ungefähr 3—4 Wochen wagen ſih die kleinen, ſehr hübſchen Tierchen in Geſell: ſhaft ihrer Muttex bereits bis zum Eingange ihres Baues, legen ſih mit ihr au<h wohl vor die Höhle, um ſi< zu ſonnen. Dabei ſpielen ſie nah Kinderart allerliebſt miteinander und erfreuen den glü>li<hen Beobachter um ſo mehr, als dieſem das anziehende Schauſpiel ſelten geboten wird. Bis zum Herbſte bleiben ſie bei der Mutter, trennen ſih ſodann und beginnen nun ihr Leben auf eigene Hand. Alte Dachsbaue werden von ihnen mit Vorliebe bezogen; im Notfalle muß aber auch ein eigener gegraben werden. Bloß in ſeltenen Fällen duldet die Mutter, daß ſie ſi in ihrem Geburtshauſe einen zweiten Keſſel anlegen und dann den unterirdiſhen Palaſt noh während eines Winters mit ihr benugen. Jm zweiten Fahre ſind die Jungen völlig ausgewa<hſen und zur Fortpflanzung fähig, und wenn ihnen nicht der Schuß eines vorſichtig angeſtellten Jägers das Lebenslicht ausbläſt, bringen ſie ihr Alter auf 10 oder 12 Fahre.

Man fängt den Dachs in verſchiedenen Fallen, gräbt ihn aus und bohrt ihn, ſcheußlih genug, mit dem ſogenannten Kräßer an, einem Werkzeuge, welches einem Kortzieher in vergrößertem Maßſtabe ähnelt, treibt ihn dur<h ſcharfe Dachshunde aus ſeinem Baue und erſchießt ihn beim Herauskommen. Nur wenn er ſi in ſeinem Baue verklüftet, d. h. ſo verſte>t, daß ſogar die Hunde ihn niht auffinden können, iſt ex im ſtande, der drohenden Gefahr ſih zu widexſezen; denn ſeine Plumpheit iſt ſo groß, daß ihm eine Flucht vor dem Hunde nichts helfen würde. Er ſucht ſi<h deshalb, wenn er in ſeinem Baue verfolgt wird, gewöhnli<h dadurch zu retten, daß er ſtill, aber mit großer Schnelligkeit ſich tiefer eingräbt und hierdur< wirklih oft genug den ihm na<ſpürenden Hunden entgeht.

Ganz früh am Morgen kann man dem heimkehrenden Dachſe wohl auch auf dem Anſtande auflauern und ihn erlegen. Abends iſt der Anſtand höchſt langweilig; denn dex mißtrauiſche Geſell erſcheint regelmäßig erſt mitten in der Nacht und geht ſo geräuſchlos wie mögli<h davon. Gewöhnlich, errichtet man zum Schießſtande eine ſogenannte Kanzel, d. h. man baut ſih auf den nächſtſtehenden Bäumen mit Stangen und Brettern einen Standort und ſchießt den zu Tage tretenden Dachs von hier aus nieder. Der difellige Geſell verlangt aber einen ſehr ſtarken Schuß oder verſhwindet noh vor den Augen des Schüßen in ſeinem