Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1
Fiſchotter: Zähmbarkeit. Berichte über Lieblinge. 677
Lehrfiſch in das Waſſer geworfen und ſ{hließlih mit einem wirklichen, toten Fiſche vertauſcht. Nimmt der Otter auch dieſen auf, ſo wirft man ihn ebenſo in das Waſſer und läßt ihn von dort herausholen. Schließlich bringt man lebende Fiſche in einen großen Kübel und ſchi>t den Otter dahinein. Von nun an hat man keine Schwierigkeiten mehr, leßteren auch in größere Teiche, Seen oder Flüſſe zu ſenden, und man kann ihn, wenn man die Geduld nicht verliert, ſo weit bringen, daß er in Geſellſchaft eines Hundes ſogar auf andere Fagd mitgeht und ſo wie dieſer die über dem Waſſer geſchoſſenen Enten herbeiholt. Man kennt Beiſpiele, daß er wie der Hund zur Bewachung der Hau8gegenſtände verwendet werden konnte. „Ein wohlbekannter Jäger“, erzählt Wood, „beſaß cinen Otter, welcher vorzüglich abgerihtet war. Wenn er mit ſeinem Namen, Neptun, gerufen wurde, antwortete er augenbli>li<h und kam auf den Ruf herbei. Schon in der Jugend zeigte er ſich außerordentlich verſtändig, und mit den Fahren nahm ex in auffallender Weiſe an Gelehrigkeit und Zahmheit zu. Er lief frei umher und konnte fiſhen nah Belieben. Zuweilen verſorgte er die Küche ganz allein mit dem Ergebnis ſeiner Jagden, und häufig nahmen dieſe den größten Teil der Nacht in Anſpru<h. Am Morgen fand ſi< Neptun ſtets an ſeinem Poſten, und jeder Fremde mußte ſih_ dann verwundern, dieſes Geſchöpf unter den verſchiedenen Vorſteh- und Windhunden zu erbli>en, mit denen es in größter Freundſchaft lebte. Seine Jagdfertigkeit war ſo groß, daß ſein Ruhm ſi< von Tag zu Tag vermehrte und mehr als einmal die Nachbarn des Beſizers zu dem Wunſche veranlaßte: man möge ihnen das Tier auf einen oder zwei Tage leihen, damit es ihnen eine Anzahl von guten Fiſchen verſchaffe.“ Die folgende hübſche Erzählung über einen gezähmten Fiſchotter rührt von dem polniſchen Edelmann und Marſchall Chryſoſtomus Paſſek her: „Fm Jahre 1686, als ih in Ozowka wohnte, ſchi>te der König den Herrn Straſzewski mit einem Briefe zu mir; auch hatte der Kronſtallmeiſter mir geſchrieben und mich erſucht, dem Könige meinen Fiſchotter als Geſchenk zu bringen, indem mir dies dure allerlei Gnadenbezeigungen würde vergolten werden. J< mußte mich zur Herausgabe meines Lieblings bequemen. Wir tranken Branntwein und begaben uns dann auf die Wieſen, weil der Fiſchotter niht zu Hauſe war, ſondern an den Teichen herumkroh. Jh rief ihn bei ſeinem Namen „Wurm“; da kam er aus dem Schilfe hervor, zappelte um mih herum und ging mit mix in die Stube. Straſzewski war exſtaunt und rief: „Wie lieb wird der König das Tierchen haben, da es ſo zahm iſt! JF erwiderte: „Du ſiehſt und lobſt nur ſeine Zahmheit; du wirſt aber noh mehr zu loben haben, wenn du erſt ſeine anderen Eigenſchaften kennſt.“ Wir gingen zum nächſten Teiche und blieben auf dem Damme ſtehen. F< rief: „Wurm, ih brauche Fiſche für die Gäſte, ſpring ins Waſſer!“ Der Fiſchotter ſprang hinein und brachte zuerſt einen Weißfiſch heraus. Als i< zum zweiten Male rief, brachte er einen kleinen Hecht und zum dritten Male einen mittleren Hecht, welchen er am Halſe verleßt hatte. Straſzewski {lug ſich vor die Stirn und rief: „Bei Gott, was ſehe ih!“ Jh frug: „Willſt du, daß ex no< mehr holt? denn er bringt ſo viele, bis ih genug habe‘. StraſzewSsti war vor Freude außer ſi, weil er hoffte, den König durch die Beſchreibung jener Eigenſchaften überraſchen zu können, und ih zeigte ihm deshalb vor ſeiner Abreiſe alle Eigenſchaften des Tieres. „Der Fiſchotter {lief mit mir auf einem Lager und war dabei ſo reinlih, daß er weder das Bett noh das Zimmer beſhmugßte. Er war auch ein guter Wächter. Fn der Nacht duxſte ſih niemand meinem Bette nahen; kaum daß er dem Burſchen erlaubte, meine Stiefel auszuziehen, dann durfte er ſih aber niht mehr zeigen, weil das Tier ſonſt ein ſolches Geſchrei erhob, daß ih ſelbſt aus dem tiefſten Schlafe erwachen mußte. Wenn ih betrunken war, trat der Otter ſo lange auf meiner Bruſt herum, bis ih erwachte. Am Tage legte er ſih in irgend einen Winkel und {lief ſo feſt, daß man ihn auf den Armen umhertragen konnte, ohne daß er die Augen öffnete. Er genoß weder Fiſche noh rohes Fleiſch.