Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

Winterſchlaf. Wanderungen. Fahresleben. Liebeswerben, 929

gewöhnlicher Weiſe; ſobald er aber ſein Sqhußlager verlaſſen kann, überkommt ihn große Aufregung; denn nunmehr geht er ſeinem Geſ <le<tsleben nah. Nur die kleineren Säugetiere verfallen in einen wirklichen Winterſchlaf, die größeren, wie der Bär, ſchlafen zeitweilig, obſchon tage-, ja vielleicht wochenlang, nehmen aber während dieſer Zeit ebenfalls nur wenig Nahrung zu ſi.

Einige Säugetiere unternehmen zuweilen Reiſen, um ihre Lage zu verbeſſern; doh fann man bei unſerer Klaſſe niht wie bei den Vögeln von einer wirklichen Wanderung ſprechen. Es kommt allerdings vor, daß ſie eine Gegend verlaſſen und in eine andere ziehen; der Weg aber, den ſie zurülegen, iſt nie ſo lang, daß er mit dem Zuge der Vögel verglihen werden könnte. Von Nahrungsmangel gepeinigt, rotten ſich die Lemminge, jene munteren und anziehenden Bewohner der nordiſchen Gebirge und Cbenen, in großer Maſſe zuſammen und wandern nun gemeinſchaftlich in die Tiefe hinab, verſuchen ſogar über Meeresarme zu ſeßen, gehen aber dabei faſt regelmäßig zu Grunde; ſüdafrikaniſche Antilopen, das Renntier und der Biſon, der wilde Eſel, die Seehunde und Wale treten aus demſelben ‘Grunde no< weitere Wanderungen an; einige Fledermäuſe haben ſogar einen beſchränkten Zug: allein alle dieſe Reiſen ſtehen unendlich weit hinter denen der Vögel zurü>.

Das Leben der Säugetiere iſt viel einförmiger als das der beweglichen Luftbewohner. Bloß die geſcheiteren Arten ſuchen in dieſes Einerlei einige Abwechſelungen zu bringen, indem ſie ſi< auf irgend welhe Weiſe miteinander unterhalten. Bei dem großen Haufen teilt ſih der Tag in Freſſen und Schlafen, Schlafen und Freſſen. Die Brunſtzeit verändert dieſes Betragen immer. Sie iſt bei den meiſten Säugetieren an einen beſtimmten Zahresabſchnitt gebunden und fällt entweder in das Frühjahr oder in den Herbſt oder auh ſelbſt in den Winter, je nachdem das Tier längere oder kürzere Zeit trächtig geht. Die Saß- oder Wurfzeit der Säugetiere nämlich iſt regelmäßig der Frühling, welcher für das Junge oder für die ſäugende Alte reichlihe Nahrung bietet; und der Sabzeit entſpricht nun die Brunſtzeit. Während derſelben zeigt ſih das Säugetier oft in ganz anderer Weiſe als außerdem: die männlichen Tiere, welche ſih ſonſt nicht um die weiblichen bekümmern, finden ſi bei dieſen ein und bekunden eine große Erregung ihres Geiſtes und Leibes. Mit den zunehmenden Gefühlen der Liebe wächſt die Eiferſucht und der Haß gegen etwaige Nebenbuhler: heftige Kämpfe werden zwiſchen dieſen ausgefohten und Kampfluſtige zu denſelben dur< lautes Schreien eingeladen; ſelbſt in der Seele des furhtſamſten Säugetieres regt ſi< der Mut und die Kampfesluſt. Der als Sinnbild der Furhtſamkeit daſtehende Haſe kämpft mit ſeinem Nebenbuhler verhältnismäßig ebenſo water wie der Löwe, wenn er auc ſeinen Liebesgegner nur tüchtig mit den Vorderpfoten ohrfeigt; der ſcheue Hirſh wird fühn und ſelbſt dem Menſchen gefährlich; die Stiere zeigen eine namenloſe Wut; die Raubtiere aber ſcheinen gegen alle fremden Geſchöpfe milder geſinnt zu werden, als ſie es früher waren: die Liebe nimmt ſie vorherrſchend in Anſpru<h. Jn der verſchiedenartigſten Weiſe machen die Männchen ihren Weibchen den Hof. Die Affen werden äußerſt zudringlih und erlauben kein Sprödethun; die Hunde dagegen bleiben liebenswürdig, ſelbſt wenn die Hündin noch ſo ärgerlih über die Liebeserklärungen ſi ſtellt; die Löwen brüllen, daß die Erde zu erzittern ſcheint, und die verliebten Löwinnen gebärden ſich, als ob ſie ihre Liebhaber verſhlingen wollten; die Kaßen rufen mit unglaublicher Sanftheit ſehnſuchtsvoll nah dem Gegenſtande ihrer Shwärmerei, ſind aber ſo reizbar gegen die Nebenbuhler, daß die zarten Töne bei deren Anbli> ſofort in ein höchſt wütendes Fauchen übergehen; die männlichen Maulwürfe ſperren ihr Weibchen augenbli>li< in einen ihrer unterirdiſchen Gänge ein, ſobald es ſi<h zu ſpröde zeigt, und laſſen ihm hier Zeit, ſi zu beſinnen; die Wiederkäuer führen gleihſam zur Ehre des weiblichen Teiles große Kämpfe auf, müſſen aber ſehen, wie ihnen der Siegespreis oft von Feiglingen, welche den Zweikampf klug benugßen, entriſſen