Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

30 Ein Blick auf das Leben der Geſamtheit,

wird. Auch die Weibchen ſind ſehr aufgeregt behalten jedoch die ihnen eigene Sprödigkeit tropdem bei und beißen, ſ{<lagen, ſtoßen und wehren ſich ſonſtwie gegen die ſi<h nähernden Männchen, deren Zärtlichkeit ſie ſih ſpäter doch gefallen laſſen. Die Paarung erfolgt bei vielen in der häßlihſten und uns widerſtrebendſten Weiſe; ſobald ſie vorüber iſt, tritt große Gleichgültigkeit zwiſchen beiden Geſchlechtern ein, und die meiſten Männchen bekümmern ſich nun gar niht mehr um die Weibchen, denen ſie kurz vorher ſo glühende Liebeserklärungen machten. Jn geſchloſſener, länger als ein Jahr währender Ehe leben wahrſcheinlih nur einige Wiederkäuer, namentlich mehrere kleine Antilopenarten und vielleicht auh noch einzelne Wale: alle übrigen ſind der Vielehigkeit zugethan.

Jn der Regel genügt eine einmalige Begattung der brünſtigen Säugetiere zur Befruchtung aller Eier, welche für eine und dieſelbe Geburt zur Entwickelung gelangen, obgleich deren Zahl in ſehr erheblihen Grenzen ſ{<wanken kann. Mehr als 24 Junge wirſt kein Säugetier auf einmal; ſchon ihrer 14 oder 16 werden ſelten zugleich geboren. Alle großen Säuger gebären weniger und ſeltener Junge als kleinere, bei denen die Frucht ſchon innerhalb drei Wochen nah der Begattung ausgetragen und das geborene Junge in derſelben Friſt auh erzogen werden kann. Bei denen, welche länger als ſe<s Monate trächtig gehen, kommt regelmäßig nur ein Junges zur Welt. Nur die Kloakentiere legen Eier. |

Die Geburt ſelbſt geht faſt immer raſh und leiht vorüber, ohne daß irgend ein mitleidiges anderes Tier dabei behilflih wäre. Ein glaubwürdiger Mann hat mir allerdings erzählt, daß er eine ſolche Hilfe bei den Hauskaßen beobachtet und geſehen habe, wie eine ältere Kage die Nabelſchnur der Kinder einer jüngeren Mutter abbiß; doh ſteht dieſer Fall bis jeßt noh zu vereinzelt da, als daß wir von ihm folgernd etwas allgemein Gültiges ſagen könnten. Sogleih nah der Geburt le>t die Mutter ihre Kleinen ſorgfältig rein und wärmt ſie mit ihrem eigenen Leibe. Einige Nager bauen vorher ein Neſt und füttern dieſes mit ihren abgerupften Haaren aus, um eine ſanfte Wiege für ihre Fungen zu haben; die große Mehrzahl aber wirft dieſelben auf die bloße Erde oder doc nur in eine niht mit Neſt verſehene Höhle. Beim Ameiſenigel gelangt das abgelegte Ei in einen ſih furz vor der Eiablage entwi>elnden Brutbeutel am Bauche der Mutter, bei den Beuteltieren ſaugt ſih das neugeborene Junge alsbald an einer der Zigen im Beutel feſt. Die Nachgeburt wird von vielen Tieren, welche ſonſt nie Fleiſ<h anrühren, gierig aufgefreſſen, ſo von den Ziegen, Antilopen und Stachelſhweinen. Die neugeborenen Jungen zeigen einen ſehr verſchiedenen Grad der Entwicelung. Bei den Beuteltieren ähneln ſie einem rohen Stücke Fleiſch; ſie werden erſt in der Hautfalte am Bauche gleichſam ausgetragen; auch die dem Eie entſ<lüpften Jungen der Gabeltiere ſind klein und unförmlih; die meiſten Raubtiere ſind blind, wenn ſie geboren werden, und öffnen exſt nach einer oder zwei Wochen ihre Augen; viele Säugetiere dagegen fommen ſehr ausgebildet zur Welt und ſind im ſtande, ihrer Mutter ſhon wenige Stunden nah der Geburt zu folgen. Andere kommen zwar ſehend zur Welt, jedo<h ſo hilflos, daß die Mutter ſie wochenlang mit ſi< herumtragen muß; ſo ſehen wir- die Kinder der Affen und Fledermäuſe lange Zeit mit allen vier Gliedern feſt angeklammert an ihrer Mutter hängen.

Jede Säugetiermutter liebt ihre Kinder ungemein und verteidigt ſie mit Ausſezung ihres eigenen Lebens gegen jeden Feind, ſelbſt gegen den Vater. Dieſer bekümmert ſich, ſtreng genommen, gar niht um ſie, ja wird ihnen im Gegenteile oft geradezu gefährlich, indem ex ſie auffrißt, wenn er ihrer habhaft werden kann. Selten nimmt er mittelbar teil an der Pflege und Erziehung ſeiner Sprößlinge: er verteidigt ſie nämli<h zuweilen, wenn der Geſamtheit eine Gefahr droht, bei welcher er überhaupt eintritt. Um ſo mehr thut die Mutter. Sie allein ernährt, reinigt, leitet, ſtraft und [<hüßt, kurz erzieht ihre Kinder. Sie bietet ihnen das Geſäuge oder jagt ſpäter für ſie, le>t und pust ſie, führt ſic