Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

28 Ein Blick auf das Leben der Geſamtheit.

und zu ſ{<wach, als daß ſie ſih dagegen lange halten könnten. Zum Wandern in wärmere oder nahrungsreichere Gegenden unfähig, würden ſie unbedingt zu Grunde gehen, wenn die Natur nicht in ſehr merkwürdiger Weiſe für ſie geſorgt hätte. Es ſcheint zwar, daß ſie ſih ſelbſt ſ<hüßzen könnten, indem ſie ſich tief gelegene, di> und weih ausgepolſterte und deshalb warme Wohnungen unter der Erde bauen und in ihnen Vorratskammern anlegen, welche auh reihli< mit Nahrung verſehen werden; allein die Natur übernimmt doh die Hauptſorge für ihre Erhaltung, und die eingetragene Nahrung dient bloß dazu, ſie während der Zeit, in welcher ſie wirklih no<h Nahrung bedürfen, gegen das Verhungern zu ſhüßen. Dieſe Säuger, welche ſo re<t eigentli<h als Schugßkinder der Natur erſcheinen, bedürfen lange Zeit gar keiner Nahrung von außen her, ſondern zehren, während ſie in einen todesähnlichen Schlaf verſinken, langſam von ihrem Fette: ſie halten Winterſchlaf.

Wenn der Herbſt faſt zu Ende geht und der Winter hereinbricht ziehen die Schläfer in ihre künſtlichen, ſehr warmen Schlupfwinkel ſi<h zurü>, rollen ſih zuſammen und fallen nun bald in eine ſ{<lafähnlihe Erſtarrung. Jhr Herzſchlag wird langſamer und ihre Atmungsthätigkeit dem entſprehend in auffallender Weiſe gemildert oder unterbrochen; die Körperwärme nimmt ab; die Glieder werden ſteif und kalt; der Magen und Darmſchlauch entleeren ſi< vollſtändig und ſ{hrumpfen zuſammen. Der Leib erhält hierdurch eine Fühlloſigkeit, wel<he ohnegleichen iſt. Um hierzu einen Beleg zu geben, will i< erwähnen, daß das Herz eines im Winterſchlafe enthaupteten Murmeltieres noch drei Stunden nach ſeiner Tötung fortſhlug, anfangs 16—17mal in der Minute, dann immer ſeltener, und daß der abgeſchnittene Kopf nach einer halben Stunde no< Spuren von Reizbarkeit zeigte. Der Winterſchlaf iſt ein Scheintod; das Leben des Schläfers gibt ſih bloß no< in Andeutungen fund. Allein au<h nur aus dieſem Grunde iſt es mögli, daß das Tier überlebt. Wenn Herz und Lungen wie bei dem lebenden Tiere arbeiteten, würde das im Sommer geſammelte Fett, welches für mehrere Monate ausreichen muß, bald aufgezehrt \ ein; die geringe Atmungsthätigkeit aber verlangſamt den Verbrennungshergang im Fnnern des ‘Körpers in günſtigſter Weiſe für die Erhaltung des Lebens. Jh habe bereits mitgeteilt daß der Winterſchläfer während ſeines Scheintodes etwa neunzigmal weniger atmet als im wachen Zuſtande, und füge hinzu, daß im entſprechenden Verhältniſſe auh die Körperwärme herabgeſtimmt wird. Eine Meſſung, welche man bei einem im Winterſchlafe befindlihen Murmeltiere vornahm, ergab bloß noch etwas über 8,75 Grad Celſius Wärme, während die Blutwärme der Säugetiere ſonſt dur<ſ<nittli< zwi Gs 35 und 37,5 Grad beträgt. Sett man das ſ<lafende Tier der Kälte aus, ſo erfriert es, wenn ih niht irre, ſhon bei einer Wärme unter der ſeines Blutes während der Shlafzeit, und ebenſo hat eine plößlihe Erwärmung des Scheintoten den Tod zur Folge; bringt man ihn aber allmählich in höhere und höhere Wärme, ſo erwacht er nah und nah, und ſeine Blutwärme ſteigt allgemach bis auf die gewöhnliche Höhe. Übrigens erträgt kein Winterſchläfer auch ſolches gemahſame Erwe>en mehrere Male nacheinander: jeder Wechſel während ſeines Halblebens iſt ihm ſhädli<h. Hieraus erklärt ſich wohl auh, daß er ſein Winterlager immer nur in Höhlen nimmt und dieſe dur ſorgfältiges Verſtopfen noch beſonders gegen die äußere Luft und deren Wärmewechſel abzuſchließen ſucht. Es iſt höchſt merkwürdig, daß Siebenſchläfer aus fremden Ländern, wenn ſie zu uns gebracht werden, im Winter ebenfalls ihren Totenſchlaf halten, während ſie dies in ihrer Heimat gerade in der Zeit der größten Hiße thun. Allein wir ſehen auh hieraus wieder, daß die Zeit der Dürre heißer Erdſtriche eben nur mit unſerem Winter verglichen werden ftann, niemals mit unſerem Sommer.

Mit dem Herannahen des Frühlings erwacht der Winterſchläfer und friſtet nun ſein Leben zuerſt mit den Schäßen, welche er im vorigen Sommer eintrug. Anfangs ſchläft er auh na< dem Erwachen aus dem Totenſhhlafe no< oft und lange, doh mehr in