Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3
402 Elfte Ordnung: Paarzeher; dritie Familie: Horntiere.
und auf einem viere>igen Plate gehalten wurde, verſuchte mehrmals, die etwa 3 m hohe Umzäunung zu überſpringen, und erreihte auh bei jedem Saße faſt die erwünſchte Höhe. Nach Europa iſt bis jezt noh kein lebender Goral gekommen, und ſelbſt die Bälge dieſer Tiere gehören zu den Seltenheiten in den Muſeen.
An dieſe fremden Antilopen können wir unſere deutſche anſ<hließen, das anmutige, vielfach verfolgte Kind unſerer Gebirge, die Gemſe. Sie gilt als der Vertreter einer eigenen Gattung (Capella), deren Kennzeichen folgende ſind: Der Leib iſt gedrungen und fräftig, der Hals ziemli<h ſ{<lank, der Kopf kurz, nah der Schnauze zu ſtark verſ<hmächtigt, die Oberlippe gefurcht, die Naſe behaart, das Naſenfeld zwiſchen den Naſenlöchern klein, der Shwanz kurz; die Füße ſind lang und ſtar die Hufe ziemli<h plump, inwendig viel niedriger als außen, hinten niedriger als vorn, die Afterhufe außen fla<; die Ohren ſind ſpißig, faſt halb ſo lang wie der Kopf, ungefähr ebenſo lang wie der ziemlih kleine, mäßig behaarte Schwanz; die drehrunden, an der Wurzel geringelten und mit Längsriefen dur<hzogenen, an der Spiße glatten Hörner, welche beide Geſchlechter tragen, ſteigen von der Wurzel an ſenkre<ht vom Scheitel auf und krümmen ſi<h mit der Spiße rückwärts und faſt gleihlaufend der Wurzel abwärts; die Vorderzähne ſind mäßig di> und rundlich, an der Schneide faſt gleich breit; Thränengruben fehlen, dagegen befinden ſh zwei Drüſengruben hinter der Wurzel der Hörner.
Die Gemſe, Gams oder Gambs (Capella rupicapra, Capra und Antilope rupicapra), die einzige Art der Gattung, erreiht eine Länge von 1,1 m, wovon auf den Schwanz 8 cm kommen, bei einer Höhe am Widerriſte von 75, am Kreuze von 80 cm, ſowie ein Gewiht von 40—45 kg. Die Hörner ſind, der Krümmung nach gemeſſen, ungefähr 25 cm lang, ſtehen bei dem Boe weiter auseinander und ſind auch ſtärker und gekrümmter als bei der Geiß. Jm übrigen gleichen ſih beide Geſchlechter faſt vollſtändig, obwohl die Böke in der Regel etwas ſtärker ſind als die Geißen. Das Haar iſt ziemlich derb, im Sommer kurz, d. h. höchſtens 8 cm lang, an der Wurzel braungrau, an der Spiße hellroſtfarben, im Winter dagegen 10—12 cm, das des Rüenfirſtes, welches den ſogenannten Bart bildet, ſogar 18—20 cm lang und am Ende ſhwarz. Hierdurch entſteht je nah der Jahreszeit ein verſchiedenfarbiges Kleid. Jm Sommer geht die allgemeine Färbung, ein {<mußziges Notbraun oder Noſtrot, auf der Unterſeite ins Hellrotgelbe über; längs der Mittellinie des Nüens verläuft ein \{<hwarzbrauner Streifen; die Kehle iſt fahlgelb, der Na>en weißgelblih; auf den Schultern, den Schenkeln, der Bruſt und in den Weichen wird dieſe Färbung dunkler; ein Streifen auf der Hinterſeite zeigt eine Schattierung der gelben Farbe faſt bis zum Weiß. Der Schwanz iſt auf der Oberſeite und an der Wurzel rotgrau, auf der Unterſeite und an der Spigße ſhwarz. Von den Ohren an über die Augen hin läuft eine ſhmale, ſ<wärzlihe Längsbinde, welche ſcharf von der fahlen Färbung abſticht. Über den vorderen Augenwinkeln, zwiſchen den Naſenlöchern und der Oberlippe, ſtehen rotgelbe Fle>en. Während des Winters iſt die Gemſe oben dunkelbraun oder glänzend braunſchwarz, am Bauche weiß; die Beine ſehen unten heller aus als oben und gehen mehr ins Rote über; die Füße ſind gelblichweiß wie der Kopf, welcher auf dem Scheitel und an der Schnauze etwas dunkelt. Die Längsbinde von der Schnauzenſpiße zu den Ohren iſt dunkel ſchwarzbraun. Beide Kleider weſeln ſo allmählich, daß das reine Sommer- und Winterkleid immer nur ſehr kurze Zeit getragen wird. Junge Tiere ſind rotbraun und heller um die Augen gefärbt. Lichtfarbige Spielarten oder Weißlinge werden ſelten beobachtet; auh Mißbildungen des Gehörnes ſind ſelten. Hier und da zeigt man zwar Schädel mit vier Hörnern; ſie aber ſind nichts anderes