Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

472 Elfte Ordnung: Paarzeher; fünſte Familie: Hirſche.

teilt unſer Gewährsmann in der Fagdzeitung „Der Weidmann“ mit, daß das Gewicht eines galiziſchen Hirſches ohne Aufbru<h ſogar 298 ks betrug.

In gewiſſer Hinſicht auffallend iſt es, daß jeder geſunde Hirſh ſein Geweih in eben der Form und Stellung wieder aufſeßt, wie er es im vorigen Jahre hatte. Wenn es weit oder eng, vorwärts oder rü>wärts ſtand, bekommt es au< in der Folge wieder eben dieſelbe Geſtalt, und wenn die Augen- oder Eisſproſſe oder andere Enden eine beſondere Biegung machten, erſcheint dieſe in gleicher Weiſe beim nähſten Aufſezen. Jäger, welche Gelegenheit zu vielen Beobachtungen hatten, behaupten ſogar und gewiß niht grundlos, daß gewiſſe Eigentümlichkeiten der Geweihe ſih der Nachkommenſchaft dur viele Geſchlechter hindur< vererben; ſie verſichern, daß ſie gewiſſe Familien ſofort am Geweihe zu erkennen vermöchten. Daß au< Klima, Nahrung, Ausdehnung und Beſchaffenheit des Standortes ſowie der Betrieb des Abſchuſſes, inſofern man die Hirſche ihre Vollkraft niht erreihen läßt, von ſehr weſentlicher Bedeutung für das Vere>en mächtiger Geweihe ſind, iſt niht zu bezweifeln.

Die Feinde des Edelwildes ſind der Wolf, der Luchs und der Vielfraß, ſeltener der Bär. Wolf und Luchs dürften wohl die ſ{hlimmſten genannt werden. Der erſtere verfolgt bei tiefem Schnee das Wild in Meuten und hegt und mattet es ab; der leßtere ſpringt ihm von oben herab auf den Hals, wenn es, ni<hts ahnend, vorüberzieht. Der ſ{limmſte Feind aber iſt und bleibt unter allen Umſtänden der Menſch, obgleich er das Edelwild gegenwärtig niht mehr in der greulichen Weiſe verfolgt und tötet wie früher. F< glaube hier von der Fagd abſehen zu dürfen, weil eine genaue Beſchreibung derſelben uns zu weit führen dürfte und man darüber, wenn man ſonſt will, in anderen Büchern na<hſ<hlagen kann. Gegenwärtig iſt dieſes edle Vergnügen ſchon außerordentli<h ge]<mälert worden, und die meiſten der jeßt lebenden Berufsjäger haben keinen Hirſh geſ<hoſſen: ſolhes Wild bleibt für vornehmere Herren aufgeſpart. Daß die großartigen „Parforcejagden““ und andere ähnliche Anſtalten zur Erlegung des Edelwildes uxſprünglih fremde Einrichtungen waren, erkennt jeder leiht an ihrem dem deutſhen Weſen ſo widerſprehenden Gepräge. Unſere Vorfahren gebrau<hten nur die Büchſe zur Erlegung des Hirſches. Es mag wohl eine recht luſtige Zeit geweſen ſein, in welcher die Grünröte noh die liebe deutſhe Büchſe faſt ausſcließli< handhabten und in den glatten Schrotgewehren nur ein notwendiges Übel erbli>ten! Mit großartigem Schaugepränge zog man zu den Fagden hinaus, und fröhlih und heiter ging es zu, zumal dann, wenn einer oder der andere von den noh niht ganz hirſhgerehten Jägern ſih irgend ein Verſehen hatte zu ſhulden kommen laſſen. Die Zeit iſt freili<h vorüber. Es hat einmal eine deutſche Jägerei gegeben. Und diejenigen, welche noh dazu gehören könnten, ſind größtenteils zu bloßen Waldbewirtſchaftern, zu „Sto>förſtern“ gemacht worden. Nichtsdeſtoweniger ſind die weidgerehten Jäger, welche die edle Kunſt und den derben Wig unſerer Altvorderen bewahren, noh niht überall ausgeſtorben.

Auch das Edelwild wird von einigen Bremſenarten arg geplagt. Dieſe widerlihen Kerfe legen ihre Zuchten, ganz in der Weiſe wie bei dem Renn, auf dem Wilde an, und die Schmeißbrut durchlöchert den armen Geſchöpfen faſt das ganze Fell. Auch eine Laus, welche ſih in den Haaren einniſtet, Fliegen und Mü>ken quälen das Wild in hohem Grade. Um dieſen ihm äußerſt verhaßten Geſchöpfen zu entgehen, ſuhlt es ſich oft ſtundenlang im Waſſer. Außerdem iſt das Wild manchen Krankheiten unterworfen. Der Milzbrand tritt oft ſeuhenartig auf, die Leberfäule, die Ruhr, der Zahnkrebs und die Auszehrung rihten zuweilen große Verheerungen an, und auh in ſ{hlehten Fahren gehen viele Hirſche ein.

Leider iſt der Schade, welchen das Rotwild anrichtet, viel größer als der Nußen, den es bringt. Nur aus dieſem Grunde iſt es in den meiſten Gegenden unſeres Vaterlandes ausgerottet worden. Obſchon Wildbret, Deke und Geweih hoh bezahlt werden, und man