Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

474 Elfte Ordnung: Paarzeher; fünfte Familie: Hirſche,

Bauch und Junenſchenkel ſind gelblich, die Schienbeine der Vorderläufe braungrau, die Fußwurzeln liht-fahlgrau; an den Hinterläufen ſind die Feſſeln dunkler als die Schenkel. Die Schalen ſind groß und können ſehr breit geſtellt werden.

Das Gemweih zeichnet ſih dur< Breite und wiederholte Veräſtelungen aus. Jm ganzen betrahtet, hat es mit dem Schauſelgeweihe des Elch einige Ähnlichkeit, obwohl von Schaufeln niht geſprochen werden kann. Die Stangen biegen ſih glei<h von der Roje an zur Seite und nach oben, aber nur wenig nach hinten, ſenden hart über der Roſe die ſehr lange, kräftige, nah vorn, oben und außen gerihtete Augenſproſſe ab und zerteilen ſi<h im lebten Dritteil ihrer Länge in zwei faſt gleichwertige Äſte, welche ſih wiederum zerſproſſen. Der hintere dieſer Äſte, welcher als das Ende der Stange betrachtet werden darf, wird zur Krone; er zerfällt in den ſtarken Endza>en, welcher ſih faſt gerade nah oben und hinten rihtet, und in zwei unverhältnismäßig kurze Nebenſproſſen, welhe na<h rü>wärts gekehrt ſind. Der vordere Aſt wendet ſi<h na< außen, oben und vorn und verzweigt ſi ebenfalls in ein einfach und doppelt geteiltes, d. h. wiederum ſproſſiges Ende, welches ſi< na< vorn, unten und innen kehrt. Das Geweih wird dur<ſ<hnittli< 90 cm hoch und zählt gewöhnlih 14—15, nah Jerdon manchmal aber au< bis 17 Enden. Ein mir bekannter Baraſinga fam als Spießer in Europa an, doch zeigten ſeine Spieße bereits den Anſaß zur Gabelung. Anfang Februar warf er ab und ſezte nun ein Geweih von 14 Enden auf, jede Stange mit Augenſproſſe und zwei ziemlich gleihmäßig entwi>elten Gabeln an der Spiße. Das nächſtfolgende Geweih unterſchied ſi<h nur dur größere Stärke, niht dur< die Endenzahl.

Der Baraſinga lebt in Trupps und großen Rudeln in waldigen Gebieten Fndiens von Aſſam und vom Fuße des Himalajas an bis nac den Sanderbans und den Zentralprovinzen, wird aber ſelten ſüdlih vom Narbada-Fluſſe gefunden. Er bevorzugt namentli<h parkähnli<h bewachſene Landſchaften oder waldige Gegenden mit freien Blößen und Thälern, die zugleich ret waſſerreih oder auh ſumpfig ſind. Laut Hodgſon tritt dieſer Hirſh niemals in das Bergland des Himalajas ein. Seine Nahrung ſoll hauptſählih aus Gras, Borke und den Schößlingen der Holzgewächſe beſtehen. Cuvier beſtimmte das Tier zuerſt nah den ihm zugeſandten Geweihſtangen; viel ſpäter bekam man den Hirſh ſelbſt im Balge und erſt in der Neuzeit lebend zu Geſicht. Der Earl of Derby, welcher einen der am reichſten beſeßten Tiergärten hielt, ſcheint zuerſt lebende Baraſingas beſeſſen zu haben; ſpäter kamen ſolche Hirſche nah London, und gegenwärtig ſieht man ſie in mehreren Tiergärten, obgleih überall noch ſelten.

Über die Fortpflanzungszeit und die Geburt des Jungen iſt no< nichts bekannt geworden; doch läßt ſi<h nah dem Aufſeßen des Geweihes ſchließen, daß gerade dieſer Hirſch mit unſerem Edelwilde ſo ziemlich die gleiche Zeit halten mag. Nach meinen Beobachtungen an dem von mir gepflegten Gefangenen glaube ih, daß der Baraſinga zur Einbürgerung bei uns ſich eignen würde. Er ſcheint unſer Klima vortrefflich zu vertragen und iſt ein ſo anmutiges Geſchöpf, daß er jedem Parke oder Walde zur größten Zierde gereihen müßte. Seine Haltung iſt ſtolz und etwas herausfordernd, ſein Gang zierlich, jedoh gemeſſen, ſein Betragen anſcheinend lebendiger, ih möchte ſagen mutwilliger als das anderer Hirſche. Mein Gefangener wax ein übermütiger Geſell, welcher ſih mit allem möglichen verſuchte. Er ſtand mit ſeinem Wärter auf dem beſten Fuße, hörte auf ſeinen Namen und kam gern herbei, wenn er gerufen wurde, nahm aber jede Gelegenheit wahr, dem Manne, mehr aus Spielluſt als im Ernſte, einen Stoß beizubringen. Den neben ihm ſtehenden Hirſchen trat er oft herausfordernd entgegen und begann dann ſelbſt mit den ſtärkſten dur< das Gitter hindur einen Zweikampf. Ein weißer Edelhirſch, ihm gegenüber ein Rieſe, wurde ohne Unterlaß von ihm gene>t, gefoppt und zum Kampfe herausgefordert, ſo daß ih ihn ſ{hließli< verſeßen mußte, um den Baranſinga niht zu gefährden. Die Stimme des leßteren iſt ein