Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

Mähnenhirſ<h. Schweinshir\<. 481

Wenn wir von den gefangenen auf die freilebenden Mähnenhirſche ſchließen dürfen, haben wir unſere Wintermonate als die Brunftzeit zu bezeichnen. Die Mähnenhirſche in den Tiergärten werfen im Mai ihr Geweih ab und fegen im September. Am 20. November ließ einer meiner Gefangenen zum erſtenmal ſeine Stimme vernehmen: ein ſehr kurzes, dumpfes und leiſes Blöken. Von dieſer Zeit an zeigte er ſich ſehr erregt, kampf- und zerſtörungsluſtig wie die übrigen brunftigen Hirſche, namentlich aber erzürnt gegen den Wärter, mit dem er ſonſt auf beſtem Fuße ſtand. Während der ganzen Zeit verbreitete ex einen unausſtehlihen bo>artigen Geruch, welcher zuweilen ſo heftig wurde, daß ex den Stall förmlich verpeſtete. Ausgang Dezember bekundete auch das Tier durch ein leiſes Mahnen Sehnſucht nah dem Hirſche, und am 7. Januar erfolgte der Beſchlag. Dasſelbe Tier hatte am 18. Oktober ein Kalb geboren, und ſomit darf die Zeit, welche es beſchlagen geht, zu rund 9 Monaten angenommen werden. Das Kalb war vom erſten Tage an ſehr munter und gedieh zu meiner beſonderen Freude zuſehends. Seine Mutter bewachte und beſchüßte es mit ebenſoviel Sorgfalt wie Mut, bedrohte ſelbſt den ihr wohlbekannten Wärter, dem ſie ſonſt ſcheu aus dem Wege ging. Mit geſenktem Kopfe, erhobenem Wedel und weit aus. einander klaffenden Thränengruben ging ſie jedem Eindringlinge kühn zu Leibe und verſuchte, ihn dur kräftige Shläge mit den Vorderläufen abzutreiben, wobei ſie ſih bemühte, das Kalb durch ihren eigenen Leib zu de>en. Dieſes hatte nah etwa 4 Monaten ungefähr die Hälſte der Größe ſeiner Mutter erreicht, beſaugte ſie aber bis in den ſe<ſten Monat ſeines Lebens. An das Futter, welches dem Tiere gereiht wurde, ging es bereits in der dritten Woche.

Auf den großartigen Treibjagden der malayiſhen Fürſten erlegt man oft viele Hunderte von Mähnenhirſchen, obglei<h man nicht das Feuergewehr, ſondern bloß Schwert und Speer | anwendet, um ſie zu fällen, oder die Schlinge gebraucht, um ſie lebendig zu erbeuten. „Die Hirſchjagden“, ſo ſchreibt mir Haßkarl, „werden auf Java zu Pferde betrieben. Reitertrupps ſtehen auf verſchiedenen Stellen des Allangallang-Feldes bereit, die im Waldesdunkel aufgejagten und dur eine geſchloſſene Reihe von oft mehr als hundert Büffeln nebſt Dazu gehöriger inländiſher Mannſchaft ins Freie getriebenen Hirſche und ſonſtiges Gewild zu empfangen, d. h. ihnen den Weg zu verlegen, ſie na<hjagend einzuholen und ihnen dann mittels des Seitengewehres das Nückgrat zu durchſchlagen. Jn neuerer Zeit hat man anſtatt dieſer Mebelei das Fangen mit Hilfe einer an der Spige der Lanze befindlichen Sthlinge eingeführt. Rührend iſt es anzuſehen, wenn ein Alttier mit ſeinem Kalbe verfolgt wird. Fort und fort ſucht es dieſes zu de>en und zu ſüßen und führt deshalb die wunderlichſten Kreuz- und Querſprünge aus, bis es endlih von ihm durch die Reiter abgeſchnitten worden iſt und nunmehrx, allerdings oft zu ſpät, ſein Heil in der Flucht ſuchen muß. Das Junge wird dann leichter gefangen.“ Laut Funghuhn jagt man unſeren Hirſh ausſließli< ſeines Wildbrets halber, welches in dünnen Scheiben geſchnitten, mit Salz eingerieben, von der Sonne getro>net, dann „Djendeng““ genannt und als die am meiſten beliebte Zuſpeiſe zu den auf der Tafel javaniſcher Häuptlinge niemals fehlenden RNeisgerichten angeſehen wird, aber auh auf der Tafel der Europäer als eine vorzügliche Speiſe gilt. Dee und Haut werden niht benugt.

Der Shweinshirſ< der Engländer, Para, Khar-laguna, Sugoria, Nuthurini-haran der Fnder, Wil-muha der Singaleſen (Cervus [Rusa] porcinus, Axis und Hyelaphus porcinus, Ceryus dodur und niger), iſt eine der gemeinſten indiſchen Arten, erreicht bei 12—1, m Geſamtlänge, wovon etwa 20 cm auf den Schwanz entfallen, eine Schulterhöhe von 65—70 cm und gehört zu den plumpeſten Geſtalten der ganzen Familie, iſt faſt ſ{<werfällig gebaut, di>leibig, kurzläufig, kurzhalſig und furzföpfig.

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Brehm, Tierleben. 3. Auflage. III.