Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

488 Elfte Drdonung: Paarzeher: fünfte Familie: Hirſche.

das Wildbret des Wapitis oder der europäiſchen Hirſcharten; den höchſten Wohlgeſ<hma> hat es jedo<h nux während der Feiſtzeit.

„Die Erbeutung des Wildes forderte alle Liſt und Geduld der Jndianer heraus, bevor das Weißgeſicht mit ſeiner Büchſe, ſeinem Roſſe und ſeinen Hunden in die Fagdgründe eintrat. Der Wilde ſtritt mit dem Wolfe und dem Puma um ſolche Beute, und die verſchiedenſten Fagdarten wurden in Anwendung gebracht. Am häufigſten erlegte man das Wild, indem man das Mahnen des Kalbes oder das Schreien des Boes nahahmte. Zuweilen auch Éleidete ſi< der Wilde in die Dee des erlegten Hirſches, deſſen Geweih er am Kopſe feſtgebunden hatte, und ahmte getreulih den Gang und alle übrigen Bewegungen des Hirſches nah, wodur< es ihm gelang, ſi bis mitten in das Rudel zu {leihen und dann oft mehrere nacheinander mit dem Bogen zu erlegen, ehe das Nudel flüchtig wurde. Seit der Einführung der Feuerwaffen haben jedoch die meiſten Stämme Bogen und Pfeil beiſeite gelegt und das Gewehr angenommen.

„Der weiße Mann jagt je nah des Landes Beſchaffenheit. Fn Gebirgsgegenden bevorzugt er die Birſch, in diht bewachſenen Wäldern nimmt er die Hunde zu Hilfe und gebraucht dann anſtatt der Büchſe ein mit ſtarken Poſten geladenes Doppelgewehr. Bei tiefem Schneefalle benußt man in einigen Gegenden auh Schneeſchuhe und verfolgt mit ihrer Hilfe das Wild, welches ſi< unter ſolchen Umſtänden nur langſam fortbewegen kann. Weniger weidmänniſch verfährt man in Virginien, indem man entweder ſtarke Stahlfallen in die Nähe des Waſſers ſtellt oder längs der Jnnenſeite der Feldgehege ſpißzige Pfähle einrammt, auf denen ſih das überſpringende Wild ſpießt. Hier und da betreibt man die Jagd vom Boote aus: man kennt die Stellen, an denen das Wild über die Ströme oder Seebuſen zu ſegen pflegt, jagt es mit Hunden auf, verfolgt es mit dem Boote und ſchießt es im Waſſer zuſammen. Ganz eigentümlich iſt die Feuerjagd. Zu ihr ſind zwei Jäger erforderlih. Der eine trägt eine Eiſenpfanne, auf welcher er mit harzigem Holze ein kleines Feuer unterhält; der andere, welcher dicht neben ihm geht, führt das Gewehr. Durch den Anbli> des ungewohnten Lichtes mitten im Walde wird das Wild ſo überraſcht, daß es ruhig ſtehen bleibt; ſeine Augen ſpiegeln dann den Schein der Flamme wider und geben dem Jäger Gelegenheit zum Zielen. Oft kommt es vor, daß nah dem Shuſſe einige Glieder des Trupps ſih von neuem nach der Flamme kehren. Das einzige Unangenehme bei dieſer Jagd iſt, daß der Jäger, welcher die beiden feurigen Augen wahrnimmt, niht unterſcheiden kann, ob er Wild oder ein Tier ſeiner Herde vor ſi hat; es kommt auch gar nicht ſelten vor, daß gelegentlich ſolher Jagden die im Walde weidenden Herdentiere erlegt werden.

„Wir ſind verſichert worden, daß unſer Wild von einem guten Windhunde regelmäßig gefangen wird. Ein Paar dieſer trefflihen Tiere, welhe in Carolina eingeführt wurden, fing gewöhnlich den Hirſh nach einem Laufe von wenigen hundert Schritten. Stöberhunde werden benußt, um die Hirſche aufzuſuchen und aufzutreiben, dann übernehmen die Windhunde die Verfolgung. Mit lebhaftem Bedauern müſſen wir die Befürhtung der Jäger betätigen, daß unſer Wild im ſ{hnellen Abnehmen begriffen iſt und möglicherweiſe bald ausgerottet ſein wird. Schon gegenwärtig gibt es in Carolina kaum den 50. Teil des Wildes mehr, welches vor 20 Jahren dort lebte. Fn den nördlichen und mittleren Staaten iſt es bereits ausgerottet, und nur in den ſüdlihen Ländern, wo die ausgedehnten Wälder, Brüche und Sümpfe den Anbau des Bodens verwehren, treibt es ſich no< in großer Anzahl umher, obgleih auch hier ſhon viele Pflanzer ihre Hunde verſchenkt haben, weil ſih für ſie keine Arbeit mehr findet.“

Jch will dieſer Schilderung Audubons, welche ih übrigens niht ſtreng überſeßt und nur im Auszuge gegeben habe, bloß das eine noh hinzufügen, daß, nah meinen Erfahrungen, die gefangenen virginiſchen Hirſche, wenn ſie entſprechend gehalten werden, zu den anmutigſten