Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

Virginighirſh. Pampashirſc. 489

Geſchöpfen gehören, welhe der Menſch an ſi feſſeln kann. Darin mag Audubon recht haben: für das Zimmer eignen ſie ſih wie alle Hirſche niht, einem Parke oder überhaupt einem Raume aber, welcher ihretwegen umhegt worden iſt, gereichen ſie zur größten Zierde. Sie gewöhnen ſi in kurzer Zeit an ihren Pfleger und beweiſen ihm beſondere Zärtlichkeit. Mazamahirſche, welche ih pflegte, näherten ſi< vertrauensvoll ihren Bekannten und nahmen die ihnen dargereichten Le>erbiſſen niht nur freundlih entgegen, ſondern le>ten dem Geber auh dankbar die Hand. Leider tritt ein Übelſtand der Hegung dieſer Hirſche in engeren Räumen hindernd entgegen: ſie brechen ſich oft ihre zarten Läufe und gewöhnlich ſo unglü>li<h, daß die Heilung ſ<hwer oder unmöglich iſt. Ein ungeſhi>ter Sprung im Stalle tann ſole Verluſte bewirken, und no<h häufiger als im Stalle ſelbſt verunglü>en ſie in der angegebenen Weiſe, wenn ſie ſcherzend in der Nähe der Gitter ſih vergnügen oder während der Brunft ſich gegenſeitig treiben, ohne auf jeden Schritt zu ahten. Mit mehr Erfolg pflegt man Virginiahirſche in größeren Tierparks. Sie gedeihen hier, da ihre urſprüngliche Heimat annähernd dasſelbe Klima hat wie Mitteleuropa, über Erwarten gut, vermehren ſich ſtark und bilden bald anſehnlihe Trupps, eignen ſi< daher beſſer als jeder andere Hirſch zur Einbürgerung in unſeren Gegenden. Freilih richten ſie hier mindeſtens ebenſoviel Schaden an wie Rot- oder Damwild, werden alſo immer nux in Gehegen, welche man ihnen preisgibt, geduldet werden können. '

Bei den an den Virginiahirſh und ſeine Verwandten ſi<h anſ<hließenden Sproſſenhirſ<hen (Blastocerus), deren Heimat Südamerika iſt, veräſteln ſich die aufrecht ſtehenden Geweihe gabelförmig; der vordere Hauptzweig, der ih ſtets ſhwächer als der hintere entwicelt, iſt zuweilen, der hintere immer gegabelt.

Die bekannteſte Art dieſer Gattung, der Pampashir\< oder Guazuy (Cariacus | Blastocerus] campestris, Cervus campestris und leucogaster, Mazama campestris), ein für unſere Familie mittelgroßes Tier von 1,1—1] 3 m Leibeslänge und 10 cm Schwanzlänge, am Widerriſte 70 cm, am Kreuze 75 cm hoh, hat Hirſchgeſtalt und -Färbung. Das Haar iſt di>, rauh, brüchig und glänzend, auf der Ober- und Außenſeite lichtrötlihbraun oder fahlgelbbraun, an den Seiten, am Vorderhalſe und auf der Fnnenſeite der Gliedmaßen am lihteſten. Die Unterteile, alſo Kinn, Kehle, Bruſt, und die Längsſtreifen an der Junenſeite der Schenkel ſind ſhmußtig-, der Bauch, die Hinterſeite der Schenkel, die Unterſeite des Schwanzes und die Shwanzſpigte reinweiß, die Ohren außen licht rötlihbraun, innen weißlih. Ein weißer Ring umgibt das Auge, und weiße Fle>en ſtehen an der Spige der Oberlippe. Sein Geweih erinnert an das unſeres Rehes,/ iſt aber ſ{hlanker, feiner und durch die längeren Sproſſen unterſchieden. Es krümmt ſih nur wenig nah rü>wärts, in der unteren Hälſte etwas nach außen, in der oberen wieder nah innen. Die Augenſproſſe entſpringt etwa 5 cm über der Roſe und iſt etwa 10 cm lang; oben bildet ſi< aus der Stange eine zweizacige Gabel, deren Sproſſe gerade nah aufwärts gerichtet iſt, während ſih das Ende der Gabel nach rü>wärts kehrt. Zuweilen finden ſich Geweihe, von deren Stange an der Vorderſeite noch eine zweite nah vorwärts gekehrte Sproſſe ſih abzweigt. Die Länge des Geweihes beträgt ſelten mehr als 25 cm; Stangen von 30 cm Länge gehören zu den Ausnahmen.

Paraguay, Uruguay und Nord-Argentinien ſind die Heimat dieſes überall häufigen Hirſches. Nah Nen gger kommt er hauptſächlich auf offenen und tro>enen Feldern in den wenig bevölkerten Gegenden vor, während er, ſelbſt wenn er heftig verfolgt wird, die Nähe von Sümpfen und die Wälder meidet. Er lebt paarweiſe und in kleinen Rudeln; der alte Bock ſondert ſi< ab. Bei Tage ruht der Hirſh im hohen Graſe und hält ſich ſo ſtill, daß man neben ihm vorbeireiten kann, ohne daß er ſih bewegt. Dies thut er, weil er ſih