Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

Reh. Muntdſchak. 501

hochbeſchlagen fühlte, nah Hauſe und ſette zur gehörigen Zeit. Die Kälber aber, mit der Muttermilch dieſes zahmen Rehes genährt, blieben wild und wurden deshalb im folgenden Oktober ausgeſeßt. Sogar während der Brunſtzeit verließ unſere Ni>e, wenn ſie von ihrem Herrn beim Namen gerufen war, den Bok und folgte dem Gebieter bis ans Ende des Waldes; hier aber trennte ſie ſich von ihm und gab dem Gatten den gewöhnlichen Ruf, ein Zeichen zur Annäherung.“

Das Benehmen gezähmter Böe iſt regelmäßig ein anderes als das der Ricken. Die ihnen angeborene Furchtſamkeit wird dur<h Gewohnheit abgeſtumpft; ſie kennen den Menſchen und wiſſen, daß weder er noh die Hunde ihnen etwas thun dürfen, und zeigen ſich dann niht bloß anmaßend, ſondern werden ſogar gefährlich. Ein junger Rehbo>, welchen der meinem Vater befreundete Oberförſter Heerwart hielt, hatte ſih in den Kopf geſeßt, daß die Hundehütte für ihn ein ganz bequemes Lager wäre, und ging, ſo oft es ihm einfiel, da hinein. Wenn nun der früher einmal erwähnte Hund „Basko“ (Bd. IL S. 145) gerade in der Hütte lag, ſ<hlug der Bo mit ſeinen Vorderläufen kühn auf den gewaltigen Feind ſeines Geſchlechtes los, bis dieſer mit eingeflemmtem Schwanze die Hütte verließ und dem übermütigen Geſellen Play machte. Der vortreffliche Hund wußte re<t wohl, daß er dem Lieblinge ſeines Herrn nichts abſchlagen durfte, und ließ ſi< von ihm in wirklich lächerlicher Weiſe beherrſchen. Ältere Böcke dürfen unter keiner Bedingung als Spielgenoſſen von Kindern angeſehen werden; ſie fürchten ſi niht einmal vor erwachſenen Männern, geſchweige denn vor Frauen und Kindern. x

Zum Schluß werfen wir no< einen Bli> auf die Gattung der Muntdſchakhirſ<he (Ceryulus), welche fi durc ihre geringe Größe, das ſehr kurze, unvollkommene Geweih, die auffallend großen E>zähne, die tieferen und breiten Thränengruben und den Mangel der Haarbürſte an den Hinterfüßen kennzeihnen. Die hierher gehörigen Arten bewohnen von Südchina an die ſüdlichen und ſüdöſtlichen Teile des Feſtlandes von Aſien ſowie die nächſtliegenden Fnſeln. :

Der Muntdſchak oder Kidang, das Nippgeſicht, der Bell- oder Schre >hir\< der Engländer, in Fndien Kakuo, Ratwa, Kankuri 2c., in Barma Gi, auf den Sundainſeln Kidang, Muntdſchak und Kidſchang, von den Singaleſen Welly und Hulamuha genannt (Cervulus muntjac, C. aureus, Cervus muntjac, moschatus und subcornutus, Prox und Stylocercus muntjac), die befannteſte Art dieſer Gattung, iſt etwas ſ{<wächer als unſer Reh; ſeine Länge beträgt 115—124 cm, wovon 15—18 em auf den Schwanz kommen, ſeine Schulterhöhe 65—70 cm. Stücke aus Südindien ſind, laut Sir Victor Brooke, ſ{hwächer als die aus Nordindien, aber die größten ſeinen den Sundainſeln eigentümlich zu ſein; Kinloch gibt nah ſeinen Meſſungen den im Himalaja heimiſchen bloß eine Schulterhöhe von 45 em. Der Muntdſchak iſt ein ziemlih ſ{hlank gebauter, aber kräftiger Hirſh mit mittellangem Halſe, kurzem Kopfe, hohen und ſ{lanken Läufen und einem mittellangen, flo>ig behaarten Wedel. Die Behaarung iſt kurz, glatt und diht, das Haar dünn, glänzend und ſpröde, die Färbung auf der Oberſeite geſättigt gelbbraun, nach der Mitte des Nückens dunkler, bis ins Kaſtanienbraune, am Hinterhalſe mehr zimtbraun, an der Schnauze gelbbraun, längs der Vorderſeite der Roſenſtö>e dunkelbraun geſtreift, auf der Außenſeite der Ohren dunkelgelbbraun; auf der Fnnenſeite derſelben wie am Kinne, der Kehle, am Hinterbauche und den Fnnenſeiten der Beine, den Hinterbaen und dem unteren Teile des Schwanzes weiß; Vorderbauch und Bruſt ſind gelblicher, zu beiden Seiten weiß gefle>t, die Vorderläufe dunkelbraun, am Nande der Schienbeine weiß, hinten ſhwarz geſtreift; über den ſhwarzen Hufen liegt ein kleiner weißer Flecken. Das