Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

506 Elfte Ordnung: Paarzeher; ſechſie Familie: Moſchustiere.

abändern: einzelne Stücke ſind oben ſehr dunkel, unten aber ſ{<mutigweiß, andere rotbraun, andere oben gelblihbraun, unten weiß, andere zeigen eine Längsreihe liter Fle>œen auf dem Rücken. Die E>zähne ragen bei dem Männchen 5—7 em aus dem Maule hervor und ſind zuerſt ſanft nah auswärts, dann ſichelförmig nah hinten zu gebogen. Fhre Außenſeite iſt flah gewölbt, der Hinterrand zuſammengedrü>t und ſ{hneidend, die Spiße ſehr [<arf. Das Weibchen hat ebenfalls E>zähne, doch treten dieſelben niht über die Lippen heraus.

Der Moſchusbeutel liegt am Hinterbauche zwiſchen Nabel und Geſchlechtsteilen und erſcheint als ein ſa>förmiger, etwas hervorragender, rundlicher Beutel von etwa 6 cm Länge, 3 cm Breite und 4—5 cm Höhe. Straff anliegende, gegeneinander geneigte Haare beſegen ihn von beiden Seiten, laſſen aber auf der Mitte eine kreisförmige Stelle kahl. Hier liegen zwei kleine Öffnungen hintereinander, welche dur< kurze Röhren mit dem Beutel ſelbſt verbunden ſind. Die vordere, halbmondförmige iſt außen mit gröberen, innen mit feinen, langen und verworrenen Haaren beſeßt; die hintere, welche mit den Geſchlechtsteilen in Verbindung ſteht, wird von einem Büſchel langer Grannen umgeben. Kleine Drüſen im Jnnern des Beutels ſondern den Moſchus ab, und durch die erſte erwähnte Röhre wird der Beutel entleert, wenn er zu voll iſt. Erſt bei dem erwachſenen Moſchustiere hat leßterer ſeine volle Größe und ſeinen vollen Gehalt an Moſchus erlangt. Man darf als Durchſchnittsmenge 30 g des foſtbaren Stoffes annehmen; doh hat man in einzelnen Beuteln auch ſ{<on mehr als das Doppelte gefunden. Junge Böcke liefern etwa den achten Teil. Bei Lebzeiten des Tieres iſt der Moſchus ſelbſt ſalbenartig; getro>net wird er zu einer törnigen oder pulverigen Maſſe, welche anfänglich eine rotbraune Färbung zeigt, mit der Zeit aber bis zu fkohlſ<hwarz dunkelt.

Weder die Griechen no< die Römer wußten etwas von dem Moſchustiere, obgleich ſie, wie Oken treffend bemerkt, in wohlriehende Salben vernarrt waren und dieſe meiſt aus Jndien und Arabien erhielten. Die Chineſen dagegen verwenden den Moſchus bereits ſeit Jahrtauſenden. Wir haben die erſte Kunde dur die Araber erhalten. Schon Abu Seuna ſagt, daß der beſte Moſchus aus Tibet käme und in dem Nabel eines antilopenartigen Tieres gefunden werde, aus deſſen Maule zwei E>zähne wie Hörner vorſtehen; Moſadius fügt dem hinzu, daß der tibetaniſhe Moſchus aus dem Grunde beſſer als der chineſiſche ſei, weil das Tier in Tibet die Narde und andere wohlriehende Kräuter freſſe, welche in China fehlen. Um das Jahr 1300 gab Marco Polo ausführlichere Nahrichten. Ex beſchreibt das Moſchustier und ſagt dann: „Beim Vollmonde wächſt dieſem Geſchöpfe am Nabel eine Blutblaſe, und die Jäger gehen ſodann hinaus, um es zu fangen, ſhneiden das Blutgeſhwür aus, tro>nen es an der Sonne und gewinnen den feinſten Balſam, welchen man kennt.“ Spätere Reiſende fabeln ins Blaue hinein, bis endlih Pallas uns mit einer ſorgfältigen Naturbeſchreibung des Tieres vertraut macht. Nach ihm danken wir namentlich Adams, Kinlo<h, Markham, Campbell, Hodgſon, Radde, Wilſon und anderen eingehende Schilderungen des wichtigen Geſchöpfes und ſeiner Lebensweiſe.

Das Verbreitungsgebiet des Moſchustieres erſtre>t ſich vom Amur an bis zum Kaſpiſee und vom 60. Grade nördlicher Breite bis nah China und Hinterindien. Am häufigſten findet es ſih in der Umgebung des Baikalſees und in den Gebirgen der Mongolei ſowie im Himalaja, wo es im Sommer ſelten unter 2500 m Höhe herabſteigen ſoll; in dieſen Gebieten iſt es teilweiſe noh ſo zahlreich vertreten, daß Erwerbsjäger in einem Winter mehrere hundert Stü erlegen können. Kinloh berichtet jedoch, daß es in viel bejagten Gebieten des Himalajas außerordentlih heu geworden ſei. Die ſchroffen Gehänge und Waldungen bilden die eigentlichen Wohnſiße des berühmten Tieres, wo es einzeln oder höchſtens zu zweieit vorfommt. Kinloch vergleicht ſeine Lebensweiſe mit der des Haſen, weil es gleich dieſem |< Lager herſtelle und in dieſen während des Tages ſehr feſt liege. Beim Äſen bevorzugt es