Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

Moſchustier: Verbreitung. Weſen. Fortpflanzung. | 507

Gehänge, auf denen graſige Weidepläße mit kleinen Buſchwaldungen abwechſeln; erſt in der Dämmerung oder in den Morgenſtunden betritt es die buſhloſen Weidepläße. Sein Gang beſteht aus einer Reihe hüpfender Sprünge, auf welche ein kurzer Stillſtand folgt, jedenfalls nux in dex Abſicht, zu ſichern; ſodann beginnt es wieder mit langſamen Schritten und fällt von neuem in ſeinen abſonderlihhen Galopp. Beunruhigt gibt es einen ziſhenden Laut von ſih, und wenn man es gefangen hat, ſtößt es ein lautes und gellendes Kreiſchen aus. Seine Fährte unterſcheidet es ſogleich von allen gebirgsbewohnenden Wiederkäuern, weil die beiden Afterzehen einen deutlichen Eindru> hinterlaſſen. Findet man ſeine Spuren, ſo kann man mit Sicherheit darauf rechnen, es auf demſelben Wechſel wiederzuſehen; denn es hält dieſen auf das genaueſte ein. Seine Bewegungen ſind ebenſo raſh wie ſicher. Es läuſt mit der Schnelligkeit einer Antilope, ſpringt mit der Sicherheit des Steinboes und klettert mit der Kühnheit der Gemſe. Auf Schneeflächhen, wo jeder Hund einſinkt und ein Menſch ſi kaum fortbewegen kann, trollt das Moſchustier no< gemähli< dahin, faſt ohne eine ſihtbare Spur zurü>zulaſſen. Verfolgte ſpringen, wie die Gemſen, aus bedeutenden Höhen ohne Schaden hinab oder laufen an Wänden hin, an denen ſih ihnen kaum die Möglichkeit zum Fußen bietet; im Falle der Not ſ{hwimmen ſie ohne Beſinnen über breite Ströme.

Die Sinne ſind vortrefflich, die Geiſtesfähigkeiten aber gering. Das Moſchustier iſt ſcheu, jedo< niht flug und bere<nend. Wenn es von einem Mißgeſchi> überraſcht wird, weiß es ſi oft gar niht zu benehmen und rennt wie ſinnlos oder verrü>t umher. So benimmt ſi< au< das friſhgefangene. |

Jm Spätherbſte, gewöhnlich im November und Dezember, im Himalaja, nah Hodgſon überhaupt im Winter, tritt die Paarungszeit ein. Die Männchen beſtehen heftige Kämpfe und gebrauchen ihre ſcharfen C>zähne in gefährliher Weiſe. Sie gehen aufeinander los, ſuchen ſi< mit den Hälſen zu umſchlingen, um die Zähne einzuſeßzen, und reißen dann tiefe Wunden in Fell und Fleiſch. Man findet, daß faſt alle erwachſenen Männchen die Narben ſolcher Kämpfe an ſih tragen. Während dieſer Zeit verbreiten die Böcke einen wahrhaft unausſtehlihen Moſhusgeruch: die Jäger ſagen, daß man ihn auf eine Viertelmeile wahrnehmen fönne. Ob die Männchen wirklich, wie früher behauptet wurde, während der Brunſtzeit ihren Moſchusbeutel an Baumſtämmen und anderen harten Gegenſtänden entleeren, iſt noh niht mit Sicherheit ermittelt worden. Ses Monate nach der Begattung ſeßt das Weibchen ein einziges oder zwei buntgefle>te Junge, welche es mit treuer Liebe bis ZUL nächſten Paarung bei ſi behält, dann aber abſchlägt. Die Jungen ſind vollſtändig ausgebildet, und ihr Schwanz iſt no< behaart; doh ſchon in der erſten Jugend unterſcheiden ſich die Männchen durch eine ſtumpfe Schnauze und dur ein bedeutenderes Gewicht von den Weibchen. Mit Ende des dritten Jahres ſind die Jungen erwachſen.

Je nah dem Aufenthaltsorte iſt die Nahrung eine verſchiedene. Im Winter beſteht ſie hauptſächlich in Baumflechten, im Sommer in Alpenkräutern der höher gelegenen Matten des Gebirges. Wie man ſagt, ſuchen ſi< die ſehr wähleriſchen Moſchustiere nur die beſten und würzigſten Pflanzen aus. Die größere oder geringere Güte des Moſchus ſcheint weſentlich in der Aſung zu beruhen, obwohl man noch nict weiß, welche Pflanzenarten dem ſibiri[hen Moſchustiere fehlen. Dieſes äſt ſih, nah Pallas, von Wurzeln, Sumpfkräutern, von den Blättern der Beerentraube, Alpenroſen, Preißelbeeren und haarförmigen Flechten; die Wurzeln gräbt es mit den Hufen unter dem Mooſe oder Schnee hervor. Fm Himalaja wird ihm nachgeſagt, daß es Schlangen freſſe.

Die Jagd des ſo wichtigen und gewinnbringenden Geſchöpfes iſt, wenigſtens in Sibirien, ſehr ſ<hwierig. Seine außerordentliche Scheu läßt den Jäger jelten zum Schuſſe kommen. Gewöhnlich legt man, um der geſuchten Beute habhaft zu werden, Schlingen auf den