Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

508 Elfte Drdnung: Paarzeher; ſe<ſte Familie: Moſchustiere.

Wechſel und bekommt ſie ſo bald lebendig, bald erwürgt. Am Feniſſei und Baikal ſperrt man die Thäler dur< zaunartig nebeneinander eingeſchlagene Pfähle bis auf einen engen Duxchgang ab, und legt in dieſen die Schlingen. Die Tunguſen blatten“ die Moſhustiere, d. h. lo>en ſie dur<h Nachahmung des Blökens der Kälber an ſi heran und ſchießen ſie dann mit Pfeilen nieder. Dabei kommt es nicht ſelten vor, daß, anſtatt der erwünſchten Wiederkäuer, Bären, Wölfe und Füchſe erſcheinen, welche ſi<h dur< das Blatten ebenfalls täuſchen ließen und eine Beute erhofften. „Die geübten Jäger“, ſagt Radde, „benußzen die Ständigkeit des Moſchustieres, um es mit der Kugel zu erlegen. Das aufgeſheu<te Wild ſpringt in flüchtigen Säßen von Fels zu Fels und entzieht ſi< ſo bald dem Bli>e des Schüßen. Dieſer aber legt ſi< nun in den Hinterhalt; denn er iſt gewiß, daß das Tier, nachdem es die Bergkuppe, auf welcher es ſeinen Stand wählte, umkreiſt hat, wieder zu derſelben Stelle zurü>kehrt, von welcher es geſheu<t wurde. Auch der Fang beruht weſentlih auf dieſer Neigung des Moſchustieres.“ Jm übrigen bemerkt Radde, daß der Fang dur den Vielfraß, das ſibiriſche Wieſel und die Raben weſentli geſtört werde. Die behaarten Raubtiere gehen den Spuren nach und freſſen die Gefangenen aus den Schlingen, welche, weil ſie an entlegenen, ſhwer zugänglichen Stellen geſtellt werden, niht immer zeitig genug von den Jägern nachgeſehen werden können. Bartgeier und Adler ſtellen außerdem dem jungen, Panther und Gepard, laut Adams, auh den alten, erwahſenen Moſchustieren nah. Engliſche Jäger erlegen das Wild im Himalaja auf der Birſch oder bei Treibjagden.

Das Wildbret wird au<h von Europäern in Fndien ſehr geſhäßt; der Moſchusbeutel hat einen Wert von 10—30 Mark. Der meiſte Moſchus wird aus China nah England eingeführt; allein nur ſelten bekommt man ihn rein, denn die ſhlauen Langzöpſe haben [hon ſeit alten Zeiten die Verfälſchung des köſtlichen Stoffes eifrig betrieben. Kiehnaſt wurde von einem Prieſter aus Tunka erzählt, daß die Chineſen die Moſhusbeutel Sibiriens vor weiterem Gebrauche einer Art von Gärung unterwerfen, ſie da, wo Schafe gewintert haben, in die Erde graben, hier eine gewiſſe Zeit liegen laſſen und erſt, nachdem ſie ſo die gewünſchten Eigenſchaften erhalten, herausnehmen, tro>nen und für den Handel bereiten. Ältere Reiſende berichten ſonderbare Dinge von der Heftigkeit des Moſchusgeruhes. Tavernier und Chardin erzählen, daß die Jäger genötigt wären, vor dem Abſchneiden des Beutels ſich Mund und Naſe zu verſtopfen, weil unvorſichtiges Einatmen der Ausdünſtung tödlich werdende Blutflüſſe veranlaſſe. Chardin verſichert, daß er nie im ſtande geweſen ſei, ſih den Moſchusverkäufern zu nähern, und von ſeinen Handelsfreunden die Einkäufe habe beſorgen laſſen müſſen. Der Geruch iſt nach ſeiner Verſicherung unerträglih und für die ungewohnten Europäer geradezu gefährli<h. Das Fell des Tieres wird hier Und dort zu Kappen und Winterkleidern benußt oder zu ſämiſchgarem Leder verarbeitet, welches ſeiner iſt als das des Rehes; weibliche Moſchustiere, welche unglü>licherweiſe in eine der geſtellten Fallen gerieten, werden aber von den ruſſiſchen Jägern ohne weiteres weggeworfen, meiſtens nicht einmal enthäutet.

Über das Leben des Tieres in der Gefangenſchaft fehlen no< ausführliche Berichte. Jm Jahre 1772 kam ein Moſchustier, nachdem es 8 Fahre auf der Reiſe zugebracht hatte, lebend nah Paris, und hielt dort 3 Jahre aus. Es ſtarb an einer Haarkugel, welche ſih aus den von ihm ſelbſt abgele>ten Haaren gebildet und vor den Pförtner des Magens geſtemmt hatte. Bis dahin war es immer wohl und munter geweſen, und deshalb glaubten die franzöſiſchen Naturforſcher annehmen zu dürfen, daß man das wichtige Tier auf unjeren Hohgebirgen anſiedeln könne. Man ernährte es mit eingeweihtem Reis, Broſamen, Flechten und Zweigen von Eichen. Es war lebhaft, munter und ſehr beweglich, gewiſſermaßen ein Mittelding zwiſchen Reh und Gazelle. Jmmer blieb es furhtſam und ſcheu, und immer war es harmlos. Der Moſchusgeruch, den es verbreitete, war ſo ſtark, daß man nur der