Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

Wildſchwein: Nahrung. Vewegungen. Weſen. Stimme. SIA

Seite: fo fährt es, weil es niht gewandt iſt, vorbei. Wer aber zu dieſen Rettungsmitteln weder Zeit noh Gelegenheit hat, dem bleibt no< das auf die Erde Werfen übrig; denn der kämpfende Keiler kann immer nur nach oben, nie aber nah unten ſ{<lagen.“ Die Bache wird nicht ſo leiht zornig wie das Schwein, gibt dieſem aber an Mut wenig nah. Zwar kann ſie mit ihren Haken dur<h Schläge keine argen Verwundungen beibringen, wird aber deshalb noch gefährlicher als der Keiler, weil ſie bei dem Gegenſtande ihrer Wut ſtehen bleibt, mit den Läufen auf ihm herumtritt und beißend ganze Stücke Fleiſh losreißt. Selbſt ſhwächere Sauen, ja ſogar Friſchlinge, nehmen den Menſchen an; junge werden mit unerſchütterlihem Mute von den älteren verteidigt. Bachen, welche noch kleine Friſchlinge führen, geben die Verfolgung eines Kindesräubers niht ſo leiht auf.

Wenn man die Gewehre eines ſtarken Shweines betrachtet, begreift man daß dieſe Waffen furhtbar wirken können. Bei allen Schweinen zeihnen ſih die Keiler dur ihre Gewehre vor den Bachen aus. Schon im zweiten Jahre erheben ſich die Hauer aus dem Oberund Unterkiefer, immer nach oben ſtrebend. Beim dreijährigen Keiler verlängert ſich das Untergewehr um vieles mehr als das obere, wächſt ſhräg aufwärts und krümmt ſih nah oben. Das obere krümmt ſih gleih von dem Kiefer ab nah aufwärts, iſt aber kaum halb jo lang als jenes. Beide Hauzähne ſind weiß und glänzend auch äußerſt ſharf und ſpißig und werden mit zunehmendem Alter durc beſtändiges Gegeneinanderreiben immer | <ârfer und ſpiviger. Fe älter das Schwein wird, deſto ſtärker krümmen ſich, bei immer zunehmender Länge und Stärke, beide Gewehre; die Schläge, welche das Tier mit dieſen ausführt, ſind im höchſten Grade gefährlih und können tödli<h verleßen. Das anrennende Schwein ſet mit viel Geſhi> ſein Gewehr unten in die Beine oder den Leib ſeines Feindes ein und reißt unter raſhem Auf- und Zurückwerfen des Kopfes lange Wunden, welche tief genug ſind/ um an den Sqhenkeln eines Mannes durc alle Muskellagen bis auf den Knochen zu reichen oder alle Bauchde>en zu dur<ſ<hneiden und die Eingeweide zu zerreißen. Leßteres geſchieht gewöhnlih den angreifenden Hunden. Starke Keiler ſpringen ſogar an größeren Tieren in die Höhe und verſezen dieſen furhtbare Schläge, reißen beiſpiel8weiſe Pferden Bruſt und Bauch auf. Sehr alte Hauptſchweine ſind wegen ihrer ſtark nah innen gekrümmten unteren Gewehre weniger gefährlih als ſe<s- und ſiebenjährige. Übrigens pflegt das Schwein den Jäger niht etwa ſofort auf den Shuß anzunehmen, ſondern, wie wohl ausnahmslos alle wehrhaften Tiere, erſt dann, wenn es ſi verwundet geſte>t oder eingeſchoben hat und ihm bei der Nahſuche der Jäger nahekommt. Dann reibt oder wett der Keiler in höchſter Wut tlappernd die Gewehre, ſhnauft oder ſhnar<ht grimmig und fährt plößlich mit erſtaunlicher Schnelligkeit auf den Gegner los. Verfehlt er dieſen, ſo geht der Keiler weiter, während die Bache wohl auh umkehrt und wiederholt zu beißen verſucht. Immerhin iſt das Verhalten der Schweine recht verſchiedenartig, je nah den Umſtänden und der Eigenart des beſonderen Stües: man kann die kleinſten tollkühn annehmen und die ſtärkſten angeſhweißten vor ein paar fläffenden Bauernkötern davonlaufen ſehen. Für ungefährlih darf man aber kein gereiztes Schwein halten, und der erfahrene Jäger wird ſih einem angeſchoſſenen niemals unvorſichtig nähern.

Die Stimme des Wildſchweines ähnelt der unſeres zahmen Schweines in jeder Hinſicht. Bei ruhigem Gange vernimmt man das bekannte Grunzen, welches einen gewiſſen Grad von Gemütlichkeit ausdrü>t; im Schmerz hört man von Friſchlingen, jährigen Keilern und Bachen ein lautes Kreiſchen oder „Klagen“, wie der Jäger ſagt. Das ſtarke Schwein dagegen gibt ſelbſt bei den ſ{<merzlihſten Verwundungen niht einen Laut von ſih. Seine Stimme iſt tiefer als die der Bachen und artet zuweilen in grollendes Brummen aus.

Gegen Ende November beginnt die Paarungszeit der Wildſchweine. Sie währt etwa 4—5, vielleicht au 6 Wochen. Wenn Bachen, wie es zuweilen vortommt, zweimal in einem