Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

518 Elfte Ordnung: Paarzeher; ahte Familie: Schweine.

Jahre ſi<h paaren und friſchen, ſind es wahrſcheinlich ſolche, welche von zahmen Schweinen abſtammen und in irgend einem Forſte ausgeſeßt wurden; eigentli wilde paaren ſi<h nur einmal im Fahre. Sobald die Rauſchzeit herannaht, nähern ſih die bisher einſiedleriſ{< lebenden Hauptſhweine dem Rudel, vertreiben die ſ<wächeren Keiler und laufen mit den Bachen umher, bis ſie ihr Ziel erreiht haben. Unter Gleichſtarken kommt es zu heftigen und langdauernden Kämpfen. Die Schläge, welche ſih die wa>eren Streiter beibringen, ſind aber ſelten tödlich, weil ſie faſt alle auf die Gewehre und die undurhdringlihen Schilder fallen. Bei Kämpen von gleicher Stärke bleibt natürlih der Erfolg des Streites unentſchieden, und ſie dulden ſi<h dann zuleßt nebeneinander, obgleich ſelbſtverſtändli<h mit dem größten Widerſtreben. „Verlaſſen und traurig“, ſagt Dietrich aus dem Win>ell, „müſſen _ während der Brunſtzeit die vertriebenen, zu geringzähligen, nur aus ihresgleihen beſtehenden Rudel vereinigt, miteinander umherſhweifen und wohl oder übel ihre Liebesbegierde unterdrü>en, bis jene Alleinherrſcher ihnen freiwillig das Feld räumen und in die Einſamkeit ſi zurü>ziehen. Doch bleibt auch dieſem oder jenem rüſtigen unter der männlichen Fugend no< ein Blümchen zu pflü>en übrig, welches ihn für das vorher entbehrte ſchadlos hält.“ Sonderbar ſind die Liebkoſungen, welche die liebestollen Keiler der Bache zukommen laſſen: ſie ſtoßen dieſe nämlih unaufhörlih an alle Teile des Leibes mit ihrem Gebreche und oft in re<t unzarter Weiſe. Allein die keineswegs ſpröden Schönen verſtehen den Wert ſolcher Liebkoſungen zu ſhäßen und nehmen ſie günſtig auf. Selbſt während des Beſchlages, welcher höchſt {<werfällig vor ſih geht, erhält, wie unſer eben genannter Gewährsmann fagt, die Geliebte no< ganz abſonderliche Beweiſe der Zärtlichkeit; denn vor lauter Entzücen beißt ſie der Liebhaber nicht ſelten re<t kräftig in den Hals. 18—20 Wochen nah der Paarung ſeßt oder riſt die ſhwähere Bache 4—6, die ſtärkere 11—12 Friſchlinge. Sie ha1 ih vorher im einſamen Dickicht ein mit Moos, Nadeln oder Laub ausgefüttertes Lager bereitet und hält die von ihr zärtlich geliebten Kleinen während der erſten 14 Tage ſorgſam verſte>t in dieſem Lager, verläßt ſie auh nur ſelten und bloß auf kurze Zeit, um ſih Fraß zu ſuchen. Dann führt ſie die Familie aus, bricht ihr vor, und die netten, munteren Tier: chen wiſſen ſhon recht hübſ<h ihr Gebreche anzuwenden. Oft finden ſi< mehrere Bachen mit ihren Friſhlingen zuſammen und führen die junge Geſellſhaft gemeinſam; dann kommt es au vor, daß, wenn eine Bache zufällig ihr Leben verliert, die anderen die Führung der Verwaiſten annehmen.

Ein Rudel dieſer jungen, ſhön gezeihneten Tiere bietet einen höchſt erfreulihen Anbli; denn die noch kleinen Friſchlinge ſind allerliebſte, überaus poſſierlihe Geſchöpfe. Fhr Kleid ſteht ihnen vortrefflich, und die Munterkeit und Mutwilligkeit der Fugend bilden einen vollendeten Gegenſaß zu der Trägheit und Unbändigkeit des Alters. Ernſthaft gehen die Bachen ihren Friſchlingen voran, und dieſe laufen quiekend und grunzend durcheinander, ohne Untexrlaß ſich zerſtreuend und wieder ſammelnd, hier ein wenig verweilend und brechend, einen plumpen Scherz verſuchend, und dann wieder ſih nac der Alten hindrängend, ſie umlagernd und zum Stillſtehen zwingend, das Geſäuge fordernd und hierauf wieder luſtig weiter trollend: ſo geht es während der ganzen Nacht fort; ja, ſelbſt bei Tage kann es die unruhige Geſellſchaft im Keſſel auh kaum aushalten und dreht und bewegt ſi dort ohne Ende. „Nichts“ ſagt Win>ell, „überſteigt den Mut und die Unerſchro>enheit, womit eine rete oder eine Pflegemutter ihre Familie im Notfalle verteidigt. Beim erſten Ausbruhe des klagenden Lautes eines Friſhlinges eilt die Bache pfeilſhnell heran. Keine Gefahr ſheuend, geht ſie blind auf jeden Feind los, und wäre es au< ein Menſch, der ihr ein Kind rauben wollte.“

Mit 18—19 Monaten iſt das Wildſchwein fortpflanzungsfähig, mit 5—6 Fahren voll: ſtändig aus8gewacſen; das Lebensalter, welches es erreichen kann, ſ{häßt man auf 20—30