Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

576 | Dreizehnte Ordnung: Waltiere.

Über den Geburtshergang ſelbſt fehlt jeglihe Kunde; insbeſondere wiſſen wir niht, was die Alte thut, um das Junge zum Saugen zu veranlaſſen, ihm begreifli<h zu machen, wo und wie es den Nahrungsquell zu finden und zu benugen habe. Andere Seeſäugetiere werden entweder auf dem feſten Lande, welches ihnen unbehinderte Atmung geſtattet, zur Welt gebracht, oder, wenn ſie im Waſſer geboren werden, wie dies bei den Sirenen der Fall iſt, von der Alten mit Hilfe der Bruſtfloſſen an die Brüſte gelegt und wahrſcheinlich, ſo lange ſie ſaugen, über dem Waſſer gehalten; die Wale hingegen müſſen, ihrem Leibesbaue entſprechend, vom erſten Augenbli>e ihres wirklichen Lebens an dieſelben Bewegungen ausführen wie die Alten, um nicht zu erſti>en, alſo im weſentlichen deren Lebensweiſe teilen. Schon hieraus ergibt ſich, daß ſie in einem hoch entwidelten Zuſtande zur Welt fommen müſſen, um überhaupt leben zu können; doh müſſen ſie immer noh ſehr ſorgfältig gepflegt und ſehr lange geſäugt werden. Frühere Beobachter gaben an, daß die ſäugende Alte na< wie vor ihres Weges weiter {<wimme und das an den Zißen angehängte Funge einfac nahſchleife; Scammon hingegen bemerkt ausdrüdli<, daß ſie, während ſie ihren Mutterpflichten Genüge leiſtet, wie erſchlafft in dem Waſſer liege, faſt den ganzen Hinterteil ihres Leibes über die Oberfläche erhebe und ſih ein wenig zur Seite neige, um es dem ſäugenden Jungen möglichſt bequem zu machen. Leßterem kommt die Lage der Milchdrüſen unzweifelhaft ſehr zu ſtatten; es pa>t mit der Shnauzenſpite die große, ungemein milchreiche Ziße und ſaugt, notwendigerweiſe in Abſäßen, weil es von Zeit zu Zeit behufs des Luftwech|ſels aufſteigen muß. Die kleineren Arten können wahrſcheinli<h weit früher entwöhnt werden als die großen, welche kaum vor Ablauf ihres erſten Lebensjahres fähig ſein dürften, ihre Nahrung ſelbſt zu erwerben. Bis dahin pflegt ſie die Mutter mit rührender Zärtlichkeit, gibt ſi ihrethalben ohne Bedenken allen Gefahren preis, welche beider Leben bedrohen fönnen, und verläßt ſie, ſolange ſie leben, nie. Das Wachstum der Fungen ſcheint verhältnismäßig langſam vor ſich zu gehen: die Bartenwale zumal dürften, wie man annimmt, faum vor dem 20. Jahre ihres Lebens zur Fortpflanzung geeignet ſein. Wie lange ihr Daſein währt, weiß man niht. Man behauptet, daß das hohe Alter ſih dur< Zunahme des Grau an Körper und Kopf, das Vergilben der weißlichen Farbe, die Abnahme des Thrans, die große Härte des Spe>es und die Zähigkeit der ſehnigen Teile beſtimmen läßt; allein man iſ dur<haus nicht im ſtande, die Zeit anzugeben, in welcher dieſe Veränderungen beginnen. |

Auch die Wale haben ihre Feinde, namentlich in den erſten Zeiten ihres Lebens. Mehrere Haie und der Shwertwal ſollen förmlich auf junge Wale jagen, wie ſie ja auch ältere angreifen und dann tagelang mit Vergnügen von dem rieſenhaften Leihname freſſen. Weit gefährlicher als alle Seeungeheuer wird den Walen der Menſch. Er iſt es, welcher bereits ſeit mehr als 1000 Jahren viele Arten der Ordnung regelrecht verfolgt und einige {hon nahezu vertilgt hat.

Jm Anfange hat ſih der Menſh wahrſcheinlih bloß mit denjenigen Walen begnügt, welche ihm das Meer ſelbſt zuführte, d. h. mit ſolchen, welche dur<h Stürme auf den Strand geworfen wurden. Erſt ſpäter dachte er daran, mit den Rieſen des Meeres ſi< im Kampſe zu meſſen. Man ſchreibt den Basken die Ehre zu, das erſte Volk geweſen zu ſein, welches üm 14. und 15. Jahrhundert eigentliche Schiffe für den Walfang ausrüſtete. Zunächſt begnügten ſi dieſe kühnen Seefahrer, die Finnwale in dem nah ihrem Lande genannten Golfe aufzuſuchen; aber ſhon im Jahre 1372 ſteuerten ſie nah Norden und fanden hier die eigentlichen Walgründe auf. Um das Jahr 1450 rüſteten die Reeder von Bordeaux ebenfalls Fahrzeuge aus und ſuchten die wertvolle Beute in den öſtlichen Teilen des nördlichen Eismeeres auf. Bürgerkriege lähmten Schiffahrt und Handel der Basken, und der im Fahre 1638 erfolgte Einfall der Spanier in ihr Land beendete ihren Walfang für immer. Fhre