Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

578 Dreizehnte Drdnung: Waltiere,

Blaſens, die Form des Rü>ens und der Schwanzfloſſe laſſen die erfahrenen Leute ziemlih ſicher erkennen, ob ſie es mit der geſuchten Walart oder überhaupt mit einer Art zu thun haben, deren Fang ſih lohnt. Fſſtt dies entſchieden, ſo werden auf Befehl des Kapitäns die Boote, deren ein größerer Kreuzer gewöhnlich vier bereit hält, ausgeſeßt. Dieſe Boote ſind 7—9 m lang und an 2 m breit, leiht, aber meiſterhaft gebaut, kiellos und an beiden Enden ſcharf zugeſchnitten, damit ſie gleich gut vor- und rü>wärts getrieben ſowie {nell gewendet werden können. Die Waffen, ungefähr vier Harpunen, mehrere Lanzen, ein ſehr ſchweres Gewehr, welches bolzenförmige Granaten ſchießt, ein kurzer Spe>ſpaten, ein Beil und ein ſtarkes Meſſer ſind im Vorderteile und handgere<ht für den Harpunier untergebracht. Der Kompaß, ein Schöpfgefäß und ein Fäßchen, welches einen Vorrat von Sciffszwieba>, eine Laterne, Lichter und Zündhölzchen gegen Näſſe ſhüßt, befindet ſi< im Hinterteile, von dem ein kurzes Stück überde>t iſt; ein anderes Fäßchen mit Trinkwaſſer liegt gewöhnlich in der Mitte des Fahrzeuges. .

„Der wichtigſte Teil des Fanggerätes iſt die über daumendi>e, ungefähr 850 Faden lange und aus dem beſten Hanfe verfertigte Leine. Sie iſt mit der gewiſſenhafteſten Sorgfalt, weil jede Verſchlingung beim Ablaufen Unglück bringen würde, in ſpiralförmigen Lagen in zwei flache, hinten zwiſchen den Ruderbänken ſtehende Zuber eingerollt. Die beiden in den zwei Gefäßen liegenden Leinenſtü>e werden vor dem Gebrauche \<hnell geſpleißt und bilden dann eine Länge; zur Jagd in flachen Gewäſſern nimmt man bloß einen Zuber in das Boot. Die Leine iſt nach hinten, zur rechten Seite des Steuermannes, um einen Kopf von hartem Holze geführt, läuft von dort, mitten zwiſchen der Bemannung hindur<h, über die ganze Länge des Bootes nah vorn und über eine fleine Meſſingrolle hinaus. Von linfts außen nimmt man ein 5—8 Faden langes Stü, den ſogenannten „Vorgänger“, herein und befeſtigt an ihm die beiden Harpunen, welche ein geübter Werfer dem Wale beim erſten Ankommen ſ{nell nacheinander „gibt“; um ſie ſicher ergreifen zu können, legt der Harpunier fie vorn re<ts auf ein niedriges Gabelgeſtell. Die Bemannung eines Bootes, aus ſe<s Perſonen beſtehend, zählt einen Steuermann, welcher mit einem lang nah hinten hinausragenden Riemen das Fahrzeug lenkt und mit einem Schlage um einen Viertelkreis wenden kann, einen Harpunier, welcher, wenn ex ſih niht zum Angriffe vorbereitet, den vorderſten Riemen handhabt, und vier eigentliche Ruderer. Es ſind erleſene Leute, welche ſtets ihren beſtimmten Plag einnehmen und ſo gut wie mögli zum genaueſten Zuſammenwirken eingeübt ſein ſollen. Sie müſſen ohne vieles Befehlen, gewiſſermaßen aus Eingebung, in jeder noh ſo gefährlichen Lage ſ<hnell und richtig handeln: ihr Boot ſoll wie ein lebendes Weſen ſein. Sie wachen über ihr Boot mit faſt liebevoller Sorgfalt, und mit Recht: denn ihm vertrauen ſie ihr Leben an im Kampfe mit Sturm und Wellen und mit ihrer rieſigen Beute.

„Ein guter Harpunier muß auf 4—5 Faden Entfernung ſeines Wurfes ſicher ſein. Meiſtens jedo< geht man viel näher an den Wal, läßt wohl au das Boot unmittelbar gegen ihn anlaufen, ſo daß die Harpune niht mehr geworfen, ſondern in den Körper geſtoßen wird. Dieſe verwegene Angrifſs3weiſe läßt an Sicherheit allerdings nihts zu wünſchen übrig, iſt aber auh am gefährlichſten. Sobald die „Eiſen“ ſißen, treibt man das Boot mit allen Kräften rü>wärts. Dies iſt immer ein bedenklicher Augenbli>: man iſt nie ſicher, daß niht das getroffene Tier zufällig oder abſihtlih mit dem ungeheueren Shwanze das Boot von unten überwerfe, wenn nicht in die Luft pritſche, oder von oben wie mit einer rieſigen Fliegenklatſche zerſhmettere. Flieht der erſchre>te Wal — im tiefen Meere taucht er meiſt fent: recht hinab, im flahen Waſſer eilt er in geringer Tiefe davon — ſo rollt im nächſten Augenbli>e die Leine ab, ſchießt in ſhlangenförmigen Windungen aus ihrem Behälter nach hinten um den leitenden Kopf und ſtraff geſpannt nac vorn und hinaus in die Tieſe; manchmal laufen 100—150 Faden in einer Minute ab. Da gilt es, ſi{h vorzuſehen: denn wen die