Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

Fanggeräte. Verfolgung. Erlegung. 579

Leine faßt, der iſt gewöhnlich verloren. Jett iſt das Boot feſt“. Steuermann und Harpunier wechſeln ihre Pläße; hatte dieſer die Aufgabe, den Wal anzumachen, ſo hat jener das Vorret, ihn zu töten. Nun erſt beginnt der eigentliche Kampf und mit ihm die größere Gefahr. An ein Halten des niedertauhenden Wales iſt natürlih niht zu denken: jeder Großwal würde das Boot mit hinunter reißen wie ein den Angelhaken nehmender Fiſch den leichten Kork. Taucht das Tier ſehr tief, ſo ruſt man das nächſte Boot herbei, um deſſen Leine anzuſpleißen; kann dieſes aber niht ſchnell genug herankommen, ſo mag auth der lebte Faden über Bord gehen — und der Wal iſ frei. Selten nur gelingt es, ſeiner wieder habhaft zu werden, indem man in der von ihm eingeſhlagenen Richtung weiter rudert und nah ſeinem Wiedererſcheinen die na<ſ{<leppende Leine auffiſcht.

„„În den meiſten Fällen genügt indeſſen die Leine eines Bootes: der Wal taucht vielleicht 100—200 Faden tief und hält ſich dort nahezu unbeweglich. Läßt die Straffheit der Leine etwas nach, ſo wird ſie mit vereinten Kräften angezogen, um die Beute zum Aufſteigen anzuregen. Behagt jedoch dieſe Behandlungsweiſe dem ungeſhlahten Burſchen nicht, ſo vereitelt er mit unwiderſtehliher Kraft jeden Verſuch, ihn an die Oberwelt zu bringen, und ſenkt ſi< wieder tiefer hinab. So wird, je nah Art und Größe des Tieres, 10/ 20 und 30 Minuten, in ſeltenen Fällen eine doppelt ſo lange Zeit hin und her geſtritten, bis der Wal endlih Luftmangel verſpürt und aufzuſteigen beginnt. Die Nichtung der Leine zeigt, wo er etwa erſcheinen wird, und dort ſucht ihn nun zunächſt ein zweites Boot zu überraſchen und ebenfalls feſtzumachen; erſt wenn dies gelungen, hält man den Erfolg für geſichert. Das wiederholt verwundete Tier greift nun entweder ſeine Peiniger an oder nimmt, da es wegen Atemnot nicht ſogleich wieder tief zu tauchen vermag, Reißaus und ſchießt an der Oberfläche des Meeres davon. Nun beginnt eine wilde Fahrt, bei welher gewöhnlih bloß einige Bootslängen Leine freigegeben werden. Puffend und ſ{<naubend pflügt der dunkle Rieſenleib durch die Fluten, daß ſie <häumend zerſtieben und in milhweißen Maſſen emporgeſhleudert werden, wenn das Tier mit wütenden Schwanzſchlägen ſi zu befreien trachtet. Hinter ihm her fliegen 2 oder 3 mit verwegenen Menſchen gefüllte Boote; oft verſhwinden ſie zwiſchen Giſht und Waſſergarben, oft ſcheinen ſie zu verſinken bei dem raſenden Dahinſtürmen über und dur die brandenden Wellen, doh unaufhaltſam geht es vorwärts in den weiten Ozean hinein, gleichgültig, ob es Tag oder Naht iſt. Ein unvorbereiteter Zuſchauer könnte glauben, den tollſten Seeſpuk zu erbli>den. Ermüdend hält der Wal endlih an; matt und ſchwerfällig oder tobend und in blinder Wut um ſih ſ<lagend rollt er in den Wellen. Nun können die Boote ſi ihm nähern. Vorſichtig den Bereich des Schwanzes meidend, geht man hinan und ſucht dem Tiere mittels Sprenggeſchoſſen oder mittels der Handlanze, deren dünnes Eiſen bis 2 m tief hinter der Finne eingeſtoßen wird, den Tod zu geben. Taucht es abermals oder nimmt es Neißaus, ſo wiederholen ſich die Vorgänge, bis man es endlich erlegt oder notgedrungen dur< Abſchneiden der Leine freilaſſen muß. Erreicht aber ein Sprenggeſchoß oder eine Handlanze die Lungen, dann bläſt der Wal Blut, er zeigt „die rote Flagge‘ und ſtirbt verhältnis8mäßig \{nell, wenn auch oftmals erſt nah einem gewaltigen Todeskampfe den alle Boote aus ſicherer Entfernung abwarten.

„Die dur<ſcnittlihe Dauer der Jagden, vom Haxpunieren bis zum Verenden des Wales gere<hnet, mag 1—2 Stunden betragen; doch die Zeit ſ{hwankt ſehr bedeutend je na< Art und Weſen des verfolgten Tieres. Jn ſeltenen Fällen können {on die Harpunen die Todeswunde bringen, und die Jagd iſt vielleicht in 15 Minuten beendet, doh mag ſie auch ebenſo viele Stunden und no< länger währen; ſie kann ganz gefahrlos verlaufen oder zu wiederholten heftigen Kämpfen führen, wobei abwechſelnd auch die Angreifer flüchten müſſen, Boote zerſchlagen werden und Menſchenleben verloren gehen. Bei den Jagden auf Großwale, denen ih beigewohnt habe, gelang es in 23 Fällen, die verfolgten Tiere wenigſtens „feſtzumachen“

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