Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

588 Dreizehnte Drdnung: Waltiere; erſte Familie: Furchenwale.

Unterkiefer angeordnet, am Kinne außerdem no< ein Haargrubenfeld; ſonſt iſt die Haut vollſtändig na>t, oberſeits tiefſhwarz, unten porzellanartig rein weiß, in den tieferen Furchen bläulihſ<warz. Dieſe Furchen beginnen am Rande des Unterkiefers und verlaufen von da aus längs der ganzen Unterſeite bis gegen den Nabel hin, d. h. bis über den halben Leib weg. Die mittleren ſind die längſten, die am weiteſten ſeitlich gelegenen die kürzeſten. Sie gleichen Einſchnitten, welche mit einem Meſſer gemacht wurden und werden von ſcharfen Rändern begrenzt, ſind 1—2 em tief und ſtehen etwa 4 cm voneinander ab, verlaufen jedoh niht ſtreng in gleihem Abſtande voneinander, ſondern endigen nach einem gewiſſen Verlaufe und nehmen ſodann andere zwiſchen ſih auf, ſ{<hneiden ſi< au<h nirgends und werden immer durch glatte Hautflächen voneinander getrennt. Die zahnloſen Kiefer tragen jederſeits etwa 350—375 Bartenreihen, welche vorn am engſten zuſammenliegen und hinten am weiteſten voneinander entfernt ſtehen. Der Seitenrand des Oberkiefers iſt unten ſanft ausgeſhweiſt und bogenförmig na<h dem Auge hin gerichtet, der Unterkiefer wenig gebogen, weS8halb die Kiefer etwas auseinander Éflappen. Die Unterlippe bewirkt den S<hluß des Maules und nimmt die Barten gänzlih in ſi< auf.

Der nördli<hſte Teil des Atlantiſchen Weltmeeres und das Eismeer bilden gewöhnlih den Aufenthalt des Finnwales. Beſonders häufig zeigt er ſih in der Nähe der Bäreninſel, Nowaja Semljas und Spibbergens; aber auch in der Nähe des Nordkaps iſt er niht ſelten. Nah Browns Beobachtungen geht er im Norden des Eismeeres niht über die Breite von Südgrönland hinauf. Mit Beginn des Herbſtes wandert ex in ſüdlichere Gewäſſer herab, und ſomit begegnet man ihm auc in den Meeren des gemäßigten und heißen Gürtels, ſoll ihn ſogar im Südlichen Eismeere angetroffen haben.

Wie man ſchon aus der ſ{<lanken Geſtalt ſchließen kann, iſt der Finnwal in ag ſeinen Bewegungen ein raſches und gewandtes Tier. Er gilt als einer der ſchnellſten aller Bartenwale. Bei ruhigem Schwimmen zieht ex in gerader Richtung fort und kommt ſehr oft, nah meinen Beobachtungen durhſchnittlih alle 90 Sekunden, an die Oberflähhe, um zu atmen. - Das brauſende Geräuſch beim Ausatmen vernahm i< {on in einer Entfernung von einer Seemeile. Das beim Blaſen hörbare Geräuſch iſt kurz und ſcharf, der bis zu 4 m Höhe anſteigende Strahl doppelt. Der Finnwal erſcheint niht ſelten in unmittelbarer Nähe ſegelnder Schiffe, umſhwimmt dieſelben oder folgt ihnen längere Zeit, manhmal ſtundenlang, getreuli<h nah. Bisweilen legt er ſih auf der Oberfläche des Waſſers auf die Seite und ſ{<lägt mit den Bruſtfinnen auf die Wellen, dreht und wendet ſih, wirft ſih auf den Rücken, taucht unter, ſcherzt überhaupt luſtig im Waſſer umher und ſ{hleudert öfters auch den gewaltigen Leib dur<h einen mächtigen Slag der Schwanzfloſſe über die Oberfläche empor.

Die Nahrung des Finnwales beſteht größtenteils aus Fiſchen, welche er oft ſcharenweiſe vor ſih hertreibt und in dem weiten Rachen ſho>weiſe auf einmal fängt. Hierbei leiſten ihm wahrſcheinlih die Furchen auf der Unterſeite weſentlihe Dienſte, indem ſie eine erhebliche Erweiterung ſeines natürlihen Hamens ermöglichen. Es iſt dies zwar von einzelnen Forſchern bezweifelt worden, dürfte ſih aber dennoch ſo verhalten, wie andere angenommen haben. Wenn der Finnwal reiche Beute findet, verweilt er tage- und ſelbſt wochenlang auf einer und derſelben Stelle, ſo beiſpielsweiſe in Grönland, wo er, laut Brown, während der Laichzeit auf den Shellfiſhbänken bei Niskol, Holſtenbork und anderen Örtlichkeiten Südgrönlands ſih umhertreibt und unglaublihe Mengen von Dorſchen und anderen Shellfiſchen verzehrt. Desmoulins berichtet, daß man 600, Brown, daß man 800 Stü dieſer immerhin großen Fiſche in ſeinem Magen gefunden habe. Rechnet man das Gewicht jedes Dorſches nurx zu 1 kg, ſo ergibt ſich, daß von ſol einer Mahlzeit des rieſigen Tieres 1200 bis 1600 Menſchen ſih< geſättigt haben könnten. Mit ſeinen nächſten beiden Verwandten, dem Rieſen- und dem Schnabelwale, wandert der Finnwal in Verfolgung der Dorſche und Heringe