Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

Finnwal: Verbreitung. Nahrung. Fortpflanzung. Jagd. 589

weit nah Süden herab, gelangt dabei an die europäiſhen Meere und ſammelt ſich hier zuweilen zu Scharen, welche geraume Zeit gemeinſchaftlih jagen. Neben Fiſchen ſoll er auh ſchalenloſe Weichtiere und andere kleine Meeresbewohner mit aufnehmen und außerdem ſo viel Tange verſhlu>en, daß man behauptet hat, er nähre ſi zeitweilig vorzugsweiſe von ſolchen und weide ſie förmlih ab. Eine Folge ſeiner Jagd auf ſcharenweiſe dem Lande zuſhwimmende Fiſche iſt, daß er öfter als jeder andere ſeiner großen Verwandten in unmittelbare Nähe der gefährlichen Küſten jagt. Er iſt es, welcher ſih in den Fjorden Norwegens umhertreibt und die übrigen ſchmalen Buchten des Meeres beſucht, er aber auh, welcher am häufigſten ſtrandet.

Trächtige Finnwalweibchen ſind mindeſtens an 20 m lang. Über die Zeit der Paarung weiß man nichts Gewiſſes; die Dauer der Trähtigkeit beträgt über 12 Monate. Hinſichtlich der Anzahl der Jungen lauten die Angaben nicht übereinſtimmend: die meiſten ſagen, daß der Finnwal nur ein Junges werfe, während andere von zweien reden. Die Mutter liebt ihren 4—5 m langen Sprößling ungemein und ſut ihn bei Gefahr nah Kräften zu ſhüßen. Wütend fährt ſie unter die Boote ihrer Verfolger, ſ{hlägt mit dem Schwanze und den Bruſtfinnen um ſi< und achtet keine Wunde, wenn es gilt, ihr Teuerſtes zu verteidigen.

Die Jagd des Finnmwales iſt wegen der großen Snelligkeit und Heftigkeit des Tieres ſchwieriger, und der Nuten, welchen das erlegte Tier gewährt, weit geringer als bei dem Nord- oder Grönlandwale. Leßterem gegenüber gilt er in den Augen der umherkreuzenden Spectjäger beinahe als wertlos. „Ein Leichnam dieſes Wales“ erzählt Brown, „welcher in der Davisſtraße auf den Wellen trieb, wurde von unſeren Walfängern zwar unterſucht, weil man ihn für den Grönlandwal hielt, jedoh ohne weiteres im Stiche gelaſſen, als man ihn erkannt hatte. Unſere Leute waren aber nicht die erſten, welche zur Unterſ uchung ausgezogen waren; denn in den Seiten des Tieres fand man die Namen von mehreren Schiffen eingeſchnitten, deren Bemannung alſo genau wie die unſrige gehandelt hatte.“ Anders verhält es ſi< überall da, wo man die Jagd von der Küſte aus betreiben und durch Verwertung aller Teile des Leibes einen höheren Gewinn, als den Walfängern möglich, erzielen kann, wie z. B. an der nördlichen Küſte von Norwegen. Dort wird gegenwärtig, laut Kükenthal, der Wert eines großen Tieres dieſer Art auf 2500 Mark veranſchlagt, wovon auf die kurzen Barten bloß 300 Mark entfallen.

Ein Finnwal, deſſen Gerippe ih bei dem norwegiſchen Kaufmanne und Naturforſcher Nordvi in Vadſö liegen ſah, hatte ſi< beim Beſuchen des Varanger Fjords zwiſchen Schären feſtgearbeitet und zuleßt ſo zwiſchen die Felſen gezwängt, daß er weder vor, noh rü>wärts konnte und ſo verendete. Nicht beſſer erging es einem jungen Finnwale, welcher ih im Frühlinge des Fahres 1874, vermutlich Heringsſ<wärmen nachziehend, in die Oſtſee verirrt und längere Zeit an den Küſten umhergetrieben, auh hier und da die Fiſcher erſhre>t hatte, endlich aber, am 23. Auguſt, zu ſeinem Unheile auf der Danziger Reede angelangt war. Hier lagen gerade drei deutſche Kriegsſchiffe vox Anker. „Welchen angenehmeren Zeitvertreib“, ſchildert Zaddach, „konnte es für die Offiziere geben, als eine Waljagd? Man griff zu den Gewehren und begrüßte den unerfahrenen Fremdling mit Spißfugeln, und als dieſer unwillig den ungaſtlichen Ort verlaſſen wollte, ſprang man in die Boote und ergößte ſih daran, wie jedesmal, wenn ex auftauchte, die Kugeln von allen Seiten in ſeine dide Haut einſhlugen.“ 75 dieſer Kugeln hatten, wie ſi ſpäter ergab, getroffen und die Weichteile des Kopfes bis auf den Schädel dur<hbohrt, ohne jedo< in dieſen einzudringen. Deshalb auh würde es dem Rieſen gelungen ſein, zu entfliehen, hätte ex niht von einem der Offiziere beim Untertauchen einen Degenſtich in den Hinterleib erhalten, welher eine große SHlagader durhſchnitt und Verblutung herbeiführte.

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