Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

590 Dreizehnte Drdnung: Waltiere; erſte Familie: Furchenwale.

Mit dem Finnwale hat man bis in die neueſte Zeit einen anderen rieſigen Wal der hochnordiſchen Meere verwechſelt, und erſt Gray gebührt das Verdienſt, denſelben nicht allein unterſchieden, ſondern ſelbſt als Vertreter einer wohlbegründeten Gattung erkannt zu haben. Die Merkmale der Rieſenwale (S1ibbaldius), wie wirx ſie nennen wollen, begründen ſich vornehmli<h auf Eigentümlichkeiten des Gerippes. 56—58 Wirbel, und zwar 7 bewegliche, denen der Finnwale im weſentlichen gleichgeſtaltete Hals- 14 rippentragende, 16 Lendenund 20—22 S<hwanzwirbel ſeßen die Wirbelſäule zuſammen; der Schädel und die Oberkieferbeine ſind ſehr breit, die Naſenbeine klein, der Unterkiefer leiht gebogen, ſeitlih zuſammengedrü>t und in der Nähe des Gelenkes mit deutlihem Kronfortſaße verſehen; das Schulterbein iſt breit, der Rabenfortſaß wohl entwi>elt die Hand in vier ſehr kurze Finger geteilt, unter denen der zweite und dritte unter ſich gleih und die längſten ſind, während der innere oder vierte bedeutend kürzer als der erſte iſt; die erſte und zweite Rippe trägt zwei Knöpfe. Der Leib iſt ſehr geſtre>t, im zweiten Fünftel ſeiner Länge am ſtärkſten, von der breiten Schnauze an glei<hmäßig anſ<hwellend, na<h der Shwanzfloſſe zu ebenſo verſ<hmächtigt, der Mittelrü>ken zu beiden Seiten fla<h eingebuchtet, die ein wenig hinter dem erſten Viertel der Leibeslänge ziemlich tief unten ſeitlih eingelenkte Bruſtfloſſe lang, ſhmal, vorn ſanft gerundet, hinten im ganzen ausgeſchnitten, dieſe Linie aber, entſprehend den Fingergliedern, dur vier auswölbende Bogen bewegt, die ſehr kleine und niedrige Rüdtenfloſſe etwa im legten Fünftel der Länge aufgeſeßt, die Shwanzfloſſe ſehr breit, am hinteren Ende klammerartig ausgeſchweift, das kleine Auge in einer ziemlich tiefen Mulde unmittelbar über und hinter dex Einlenkung des verhältnismäßig kurzen Unterkiefers, das kaum bemerkbare, ſ<hlißförmige Ohr etwa 8 cm weiter nah rü>wärts, das doppelte Atemlo<h etwas vor dem Auge auf der Vorderſtirn gelegen, die Haut oben glatt, auf Kehle, Bruſt und Oberbauch mit mindeſtens 60 rechtwinkelig eingetieften Falten verſehen.

Dex Rieſenwal, Blaahval der Norweger (Sibbaldius borealis, Balaena borealis, Balaenoptera laticeps, gigas, boops, tenuirostris, sibbaldii und carolinae, Sibbaldius latirostris, Pterobalaena gigas), iſt bedeutend größer als der Finnwal; man hat einzelne gemeſſen, welhe 31 m lang waren und faſt 4 m lange Bruſtfloſſen hatten. Kopf, Rü>en, Shwanz, Oberſeite der Bauchfloſſen haben ſhwarze, die Unterſeite der leßteren, Gurgel, Bruſt und Bauch glänzend weiße Färbung. Mehrere von Finſ unterſuchte, friſch gefangene Rieſenwale waren bis auf die am hinteren Rande weiß geſäumten Bruſtfloſſen ſchiefergrau, unterſeits nur wenig lichter gefärbt, das obere und untere Farbenfeld jedoch dur eine ziemlih ſcharfe Linie getrennt; es ſcheint alſo, daß auh dieſer Wal hinſichtlich ſeiner Färbung erheblich abändert.

Über die Lebensweiſe des Rieſenwales fehlen bis jet zuverläſſige Angaben, und zwar aus dem Grunde, weil man ihn beſtändig mit dem Finnwäle verwechſelt hat. Es erſcheint deshalb notwendig, no< einen uns beſſer bekannten Vertreter derſelben Gattung und ſehr nahen Verwandten des Rieſenwales, den Shwefelbau<h oder Sulphurbottom der Nordamerikaner (Sibbaldius sulfureus), welher möglicherweiſe ſogar mit dem atlantiſchen Rieſenwale als gleichartig ſi< herausſtellen dürfte, in Betrahht zu ziehen. Der Shwefelbauch kommt jenem an Größe gleih und gilt unter den Walfängern des Stillen Weltmeeres als der größte aller Wale überhaupt. Ein von Kapitän Roys gemeſſenes Stü war 29 m, ſein Unterkiefer 6,4 m lang, ſein Umfang betrug 11,6 m, das Gewicht der Shäßung nah 147 Tonnen oder 147,000 kg. Selbſt die Finnwale übertrifft der Shwefelbauch an Shlankheit; ſein Leib iſ ſehr geſtre>t, die Rükenſeite, mit Ausnahme einer bu>elförmigen Erhöhung auf dem Kopfe, woſelbſt die Atemlöcher münden, ſehr wenig, die Unterſeite merklih ſtärker gebogen, die Rückenfloſſe im lezten Viertel des Leibes angeſeßt, klein,