Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

594 Dreizehnte Ordnung: Waltiere; zweite Familie: Glattwale.

den Luftwechſel mehrere Male nacheinander und verſinkt dann für geraume Zeit. Auf ſeinen Wanderzügen beſucht er niht allein Buchten aller Art, ſondern gefellt ſih au< fur<tlos zu den Schiffen und taucht in deren Nähe auf und nieder; im hohen Norden dagegen hält ex ſi<h mehr an die Eisfelder, hwimmt oft auf weite Stre>en unter denſelben weg und erſcheint dann hier und da in einer Spalte, um Luft zu ſ{höpfen, erhebt ſih dabei au< ſo ho, daß man den größten Teil ſeines Kopfes wahrnehmen kann. Wie ſeine Verwandten nährt er ſi<h vorzugsweiſe, wenn niht ausſ{ließli< von kleinen und mittelgroßen Fiſchen, vielleiht au< Kopffüßlern, und verfolgt ſeine Beute mit ſolcher Gier, daß er gerade bei ſeiner Jagd ſehr häufig auf den Strand läuft und in vielen Fällen dadurch ſein Leben verliert. Über die Zeit der Paarung, der Trächtigkeit und der Geburt fehlen bis jeßt noh genauere Berichte; doh glaubt man, daß das Weibchen 11—12 Monate trächtig gehe und dann ein Junges von etwa 2,5 m Länge zur Welt bringe. Scammon fand in einem von ihm unterſuchten Weibhen im Oktober einen faſt ausgetragenen Keimling, welcher jedo<h kaum 2 m lang war.

An den amerikaniſchen Küſten, und zwar an den weſtlichen und nördlichen ebenſowohl wie an den öſtlihen, jagt man den Zwergwal nicht, wenigſtens niht regelmäßig, an den nord- und mitteleuropäiſhen höchſtens, wenn er ſi in der Nähe des Landes ſehen läßt. Unter ſolhen Umſtänden follen ſih die Fiſher Norwegens, Jslands und der Faröer vereinigen, einen Halbkreis um ihn bilden und ihn nun dur< Rufen und Streien ſo zu erſ<hre>en ſuchen, daß er auf den Strand oder in ſeihtes Waſſer läuft, wo man über ihn herfallen und ihn töten kann.

Die Glattwale (Balaenidae), welche die leßte Familie der Unterordnung bilden, ſind zugleich plumper und ungefüger gebaut als ſämtliche Röhrenwale, beſizen weder Rüctenfloſſe no< Hautfurchen, haben breite, abgeſtußte Bruſtfloſſen, lange und ſ{<male Barten, größtenteils verſhmolzene Halswirbel, verſchoben-viere>ige Felſen: und Sculterbeine, welche höher als breit ſind.

Als Urbild dieſer Familie haben wir den wichtigſten aller Wale anzuſehen, den Nordwal oder Grönlandwal, Wal oder Walfiſch der Deutſchen und Engländer, den Bowhead (Bogenkopf) der Amerikaner, Tueghval der Norweger, Rethval der Dänen 2c. (Balaena mysticetus), ein unförmlihes Geſchöpf, welches in allen Teilen und Gliedern Mißverhältniſſe zeigt. Der dem Menſchen angeborene Hang zur Übertreibung des Wunderbaren hat ſi< namentlich bei dieſem von alters her berühmten Wale bekundet. Es gibt aber auch verſtändige Berichte. Schon die Seefahrer, welche vor mehr als 300—400 Fahren auf den Fang auszogen, ſprechen nur von Walen, welche etwa 20 m lang geweſen ſeien, und Scoresby, welcher beim Fange von etwa 320 Walen zugegen war, fand unter ihnen feinen, welcher mehr als 18 m lang geweſen wäre. Pechuel-Loeſche gibt die Maße eines nördlich von der Beringſtraße gefangenen Nordwales wie folgt: Länge 16,4 m, Spannweite des Schwanzes 6,7 m, Länge der größten Fiſchbeinplatte 3,25 m. Gleichwohl läßt es ſih niht leugnen, daß man in der That größere gefunden hat und noh heutigestages in abgelegenen Meeresteilen ſolche findet. Karl Gieſe>e berichtet von einem im Fahre 1813 gefangenen Walfiſche, welcher etwa 20,4 m lang war, und im Anfange dieſes Fahrhunderts wurde einer bei Spißbergen getötet, welcher ungefähr dieſelbe Länge hatte und 5 m lange Barten trug. Au Brown hebt ausdrü>lih hervor, daß man ſeit Scoresbys Berichten die Größe des Wales zu unterſchägen pflege, und gibt God ſirs Meſſungen zur Erhärtung der Wahrheit ſeiner Ausſagen an: bei einem von dieſem gemeſſenen, in der Davisſtraße getöteten