Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

610 Dreizehnte Ordnung: Waltiere; dritte Familie: Delphine.

meiſt ausfallenden Zähnen bewehrt ſind; die kurzen und ſtumpfen Bruſtfinnen, welche im erſten Viertel der geſamten Länge gelenken, haben eiförmige Geſtalt.

Die Beluga, der Weißwal oder Weißfiſ<h, Morskuja-Beljuge der Ruſſen, Kelelluaë der Grönländer, Viborga der Samojeden, Ghik der Gurä>ken, Satſ<ha der Kamtſchadalen, Petſhuga der Bewohner der Kurilen 2c. (Beluga leucas, B. catodon, Physeter catodon, Delphinus leucas und albicans, Delphinapterus leucas und albicans), wird 4—6 m lang; ihre Bruſtfinne mißt 60 cm in der Länge und etwa die Hälfte in der Vreite, und die ſtarke Shwanzfinne erreicht etwa 1 m an Breite. Der länglich runde Kopf iſt verhältnismäßig klein, auf der Stirn ſtark gewölbt, das kleine Auge in einiger Entfernung hinter der Schnauze, das einfa<h halbmondförmige Atemlo<h auf der Vorderſeite der Stirn gelegen, der Leib langgeſtre>t, die zweilappige Shwanzfinne in der Mitte tief eingeſhnitten, die Haut glatt, ihre Färbung bei alten Tieren gelblichweiß, bei jungen bräunlih oder bläulihgrau, ſpäter lichter gefle>t, bis nah und nah das Jugendkleid in das der alten übergeht.

Dex Verbreitungskreis der Beluga erſtre>t \ſi< über alle Meere rings um den Nordpol, dehnt ſih aber niht weit nah Süden aus. An der Küſte von Grönland bemerkt man ſie nur in den Wintermonaten; denn ſpäteſtens im Juni verläßt ſie die Küſte ſüdli<h des 72. Grades, um ſich in die Baffinbai und die weſtlichen Küſten der Davisſtraße zu begeben; im Dktober begegnet man ihr auf der Wanderung nah Weſten, im Winter ſieht man ſie, meiſt in Geſellſhaft mit dem Narwale, zwiſchen oder unmittelbar an dem Eiſe. Erſt im Oktober erſcheint ſie, laut Holböll, oft in Scharen von mehreren tauſend Stü unter dem 69. Grade, Anfang Dezember unter dem 64. Grade und etwas ſpäter unter dem 63. Grade. Auf dieſer Stre>e hält ſie ſi< in allen Buchten Südgrönlands während der ganzen Winterszeit auf, begibt ſi< aber ſhon zu Ende April oder Anfang Mai langſam auf die Wanderung. Fn ſeltenen Fällen verirrt ſie ſi< auh wohl nah ſüdlihen Meeren und iſt dabei ſchon einige Male bis an die Küſten des mittleren Europa herabgekommen. So fand man im Fahre 1793 zwei junge, etwa 2m lange Weißwale auf dem Strande: von Pentland Firth und hatte im Jahre 1815 Gelegenheit, mehrere Monate lang eine ziemlich erwachſene Beluga zu beobachten, welche ſih während dreier Monate luſtig im Golfe von Edinburg umhertrieb , täglih mit der Flut nah aufwärts zog, mit der Ebbe wieder in das Meer zurü>kehrte und ſih ſo vertraut machte, daß die Bewohner Edinburghs zum Golfe herauskamen, um ſie zu betrahten. Leider wurde dem nordiſchen Fremdlinge ſein Vertrauen \<le<t vergolten: die Fiſcher glaubten ſih, vielleiht niht mit Unreht, durch den Gaſt aus dem Eismeere in ihrem Lachsfange beeinträchtigt und ſtellten ihm mit allem Eifer nah. Dank ſeiner großen Geſchwindigkeit und Geſchi>klichkeit entging er lange der Verfolgung, endlih machte das tüd>iſhe Feuergewehr ſeinem Leben ein Ende. Glü>licherweiſe ging der nun getötete Fiſh für die Wiſſenſchaft nicht verloren: gebildete Männer zergliederten ihn und gaben eine ſo genaue Beſchreibung ſeines inneren Leibesbaues, wie wir ſie von wenigen Seeſäugetieren erhalten haben.

Nach Verſicherung der Grönländer entfernt ſih die Beluga ſelten weit vom Lande, gehört vielmehr, wie der Tümmler, dem Küſtengebiete an. Aus dieſem Grunde ſteigt ſie niht allzu ſelten viele Meilen weit in den Flüſſen auf, iſt bei dieſer Gelegenheit auh ſhon wiederholt tief im Lande, nah Dall im Jahre 1863 einmal bei Nulato im Yukonfluſſe, etwa 700 engliſche Meilen von der See, gefangen worden. Kleine Fiſche, Krebſe und Kopf: füßler bilden ihre Nahrung; außer dieſen findet man auh regelmäßig Sand in ihrem Magen, was die Grönländer zu der \cherzhaften Äußerung veranlaßt hat, daß ſie ohne Ballaſt niht zu {<wimmen vermöge.