Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

Narwal: Geſchichtliches. Verbreitung. Leben8weiſe. 629

nordwärts, einem Reiterregimente vergleichbar, anſcheinend mit größter Regelmäßigkeit aufund niedertauchend und in Wellenlinien ihre Straße verfolgend. Solche Herden werden niht immer nur von einem und demſelben Geſchlechte gebildet wie dies Scoresby annahm, beſtehen vielmehr aus Männchen und Weibchen, bunt durcheinander gemiſcht.“ Hinſichtlih ihrer Wanderungen wie der Wahl ihrer Aufenthaltsorte ſtimmen ſie am meiſten mit dem Weißwale überein, dürfen aber no< mehr als dieſe Polartiere genannt werden; denn erſt mit dem Eintritte der ſtrengſten Winterzeit ziehen ſie nah Süden hinab und, ſobald das Eis es geſtattet, wieder nah Norden hinauf. Jn Däniſch-Grönland trifft man ſie daher nur vom Dezember bis zum März hin als regelmäßige Bewohner aller Küſtengewäſſer an, und au< dann noch ſelten ſüdlih des 55. Breitengrades. Verringert das ſih mehr und mehr verbreitende Eis ihr Jagdgebiet, ſo drängen ſie ſih, gewöhnlih in Gemeinſchaft der Weißwale, an den wenigen Stellen zuſammen, welche auh im härteſten Winter offen bleiben, und bilden hier beim Atmen zuweilen ein ſo dites Gewimmel, daß man ſich, wie der alte Fabricius ſagt, billig wundern muß, wie geſchi>t ſie es anfangen, einander mit ihren Stoßzähnen nicht zu verleßen. Auf derartige, auh in neuerer Zeit wiederholt angeſtellte Beobachtungen ſtüßt ſi< wahrſcheinlih die Vermutung, daß ſie ihre Stoßzähne als Eisbrecher benußen, während man richtiger wohl annehmen darf, daß auf jenen Stellen die Eisbildung einzig und allein dur das beſtändige Auf- und Niedertauchen der in ſo großer Anzahl verſammelten, kräftig ſich bewegenden Tiere verhindert wird.

Neuere Seefahrer bezeichnen dieſen Wal als ein ſehr munteres, behendes Tier, welches mit außerordentlicher Schnelligkeit und durch ſein oft wiederholtes Auf- und Niedertauchen das Meer zu beleben und die Aufmerkſamkeit des Beobachters zu feſſeln weiß. Mit anderen Walen beſteht er gewiß nicht ſolhe Kämpfe, wie man geſabelt hat, und auch mit ſeinesgleichen lebt er verträglih, ſolange die Liebe niht ins Spiel kommt und die Gemüter zweier Männchen erhißt. Daß leßteres zuweilen geſchehen und ernſte Kämpfe verurſachen muß, darf man mit Beſtimmtheit annehmen, da man ſelten einen alten Narwal erlegt, deſſen Zahn unverlezt wäre, auh mehrmals ſolche beobachtet hat, deren Zähne nicht allein abgebrochen, ſondern in deren Zahnhöhlen ſogar andere Zähne gerammt worden waren. Über die Zeit der Paarung, die Trächtigkeitsdauer und Geburt der Jungen weiß man übrigens bis jeßt no< ſehr wenig: Brown allein bemerkt, daß die Geſchlechter in aufrechter Stellung ſi< paaren und das Weibchen ein einziges Junge zur Welt bringt.

Seegurken, na>te Weichtiere und Fiſche bilden die Nahrung des auffallenden Geſchöpfes. Scoresby fand im Magen Glattrochen, welche faſt dreimal ſo breit waren als das Maul, und wundert ſi, wie es dem Tiere möglich wird, mit dem zahnloſen Maule eine ſo große Beute feſtzuhalten und hinabzuwürgen; er glaubt deshalb, daß der Narwal dieſen Nochen vorher mit ſeinem Stoßzahne durchbohrt und erſt nach ſeiner Tötung verſchlungen habe. Unſer Gewährsmann vergißt aber dabei wieder das arme Weibchen, welches doh auch leben will. Wahrſcheinlich iſt daß der Narwal ſeine Nahrung im Schwimmen erhaſcht und durch den Dru> ſeines Maules ſo zuſammenpreßt, daß er ſie hinabwürgen kann: gefangene Seehunde wid>eln die Schollen auch exſt zuſammen wie die Köchin einen Eierkuchen, bevor ſie den breiten Viſſen als mundgerecht betrachten.

Mangerlei Gefahren und viele Feinde bedrohen das Leben des Narwales. Von keinem anderen Waltiere findet man ſo viele Überbleibſel wie von ihm. Der Winter, welcher oft überraſchend ſ{<nell eintritt auf weithin das hohnordiſche Meer in eiſige Banden ſhlägt und damit allen luftatmenden Seetieren ihr Daſein unendlich erſhwert und gefährdet, raubt Hunderten und Tauſenden das Leben, und das Meer ſ{<wemmt dann deren Leichen und ihre Überbleibſel an den Strand. Kleine Schmaroßer quälen, große wehrhafte Feinde bedrohen ihn. Nicht allein in den Eingeweiden, ſondern auh in den Höhlen hinter dem Gaumen