Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

630 Dreizehnte Drdnung: Waltiere; fünſte Familie: S<hnabelwale.

ſiedeln ſich gierige Schmaroßer in Wurmgeſtalt an, verurſachen bösartige Entzündungen und verbittern ihrem Nährtiere jeden Biſſen; der furhtbare Schwertfiſch fürhtet den Stoßzahn nicht im geringſten und wütet, wenn er mit dem Narwale zuſammentrifft unter ſeinen Scharen niht minder als unter den harmloſen Belugas; der Menſch endlich ſtellt ihm ebenfalls mit Eifer nah. Doch befaſſen ſi< nur die eingeborenen, niht aber die kreuzenden Walfänger mit ſeiner Jagd; denn ſeine Schnelligkeit und Gewandtheit erſhwert dieſe, \olange niht eisfreie Stre>en des Meeres behufs des Atemholens ihn an eine und dieſelbe Stelle binden. Fm hohen Meere werden einzelne harpuniert; im ganzen aber iſt die Jagd nirgends bedeutend, weil für europäiſche oder amerikaniſhe Verhältniſſe wenig lohnend. Fleiſh und Thran werden gleih hoh geſhäßt. Erſteres iſt ſehr ſ<hmac>haft, zumal wenn es entſprechend zubereitet wird. Alle in Srönland lebenden Däninnen bringen es, gekocht wie gebraten und in eine aus der ſpe>igen Haut des Narwales bereitete Gallerte gelegt, mit dem Bewußtſein auf den Tiſh, daß es auh der verwöhnteſte Fremde raſh ſhägen lernen werde. Eingeborene Grönländer eſſen das Fleiſh geko<ht und getro>net, die Haut und den Spe> roh, brennen das Fett in Lampen, verfertigen aus den Fle<ſen guten Zwirn, aus dem Schlunde Blaſen, welche ſie beim Fiſhfange gebrauchen, und wiſſen ſelbſt die Gedärme zu verwenden.

Jn früheren Zeiten wurden für die Stoßzähne ganz ‘unglaubliche Summen bezahlt. Man ſchrieb ihnen allerlei Wunderkräfte zu und wußte ſie ſomit noh vielſeitiger zu verwenden als wir, welche in ihnen bloß eine dem Elfenbeine gleihende Maſſe ſehen. Noh vor etwa dritthalbhundert Fahren gab es ſehr wenig Narwalzähne in Europa, und diejenigen, welche die Seefahrer bisweilen fanden, wurden ohne Mühe verwertet. Man hielt die Zähne für das Horn des Einhornes in der Bibel, und deshalb eben ſeßen die Engländer ſolchen Zahn dem fabelhaften Einhorne ihres Wappens auf. „Kaiſer und Könige“, ſagt Fißinger, „ließen ſih oft mit dem zierlihſten Schnißwerke verſehene Stäbe daraus verfertigen, welche ihnen na<hgetragen wurden, und die koſtbaren Biſchofsſtäbe waren aus ſolchen Zähnen gefertigt. Noh im 16. Fahrhundert bewahrte man im Baireuther Archive auf der Plaſſenburg vier Narwalzähne als außerordentliche Seltenheit auf. Einen derſelben hatten zwei Markgrafen von Baireuth von Kaiſer Karl Ÿ. für einen großen Schuldpoſten angenommen, und für den größten wurde von den Venezianern no< im Fahre 1559 die ungeheure Summe von 30,000 Zechinen angeboten, ohne daß es ihnen gelungen wäre, in den Beſiß desſelben zu gelangen. Der dritte wurde als Arzneimittel, jedo<h nur für die Angehörigen des Fürſtenhauſes, verwendet; man hielt ihn für ſo koſtbar, daß immer Abgeordnete beider Fürſten zugegen ſein mußten, wenn ein Ring von ihm zum Gebrauch abgeſchnitten wurde. Ein Zahn, welcher in der kurfürſtlihen Sammlung zu Dresden an einer goldenen Kette hing, wurde auf 100/000 Reichsthaler geſchäßt.“

Mit der Ausbreitung der Schiffahrt verloren die Zähne mehr und mehr an Wert, und als im Anfange des 18. Jahrhunderts die „Grönländiſche Geſellſchaft“ viele große Narwalzähne nah Moskau ſchi>te, um dieſelben an den Zaren zu verhandeln, wußte der Leibarzt des Kaiſers den Handel rü>gängig zu machen, indem er ſagte, daß dies gar keine Einhörner, ſondern nur Fiſhzähne wären. Der Abgeſandte mußte, ohne ein Stü los zu werden, wieder nah Kopenhagen zurü>kehren und erfuhr dort die Kränkung, verhöhnt und geſcholten zu werden. _ mehr man zu der Überzeugung kam, daß dieſe Zähne niht vom Einhorne ſtammten, verloren ſie ihre Wunderkräfte; aber no< Ende des vorigen Jahrhunderts fehlten ſie in Apotheken niht, und manche Ärzte verſchrieben noch. gebranntes Naxwalpulver. Gegenwärtig wird, laut Weſtendarp, 1 kg des bis 1 m langen Zahnes mit 12 Mark, des 2 m und mehr meſſenden Zahnes mit 18 Mark bezahlt.