Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

Pottwal: Atmung. Sinnesſchärfe. Nahrung. 637

und jüngere Pottwale dagegen bekunden nicht die gleihe Regelmäßigkeit im Atmen und Verweilen über und unter der Oberfläche, blaſen auh weniger oft nacheinander und tauchen häufiger auf. Nah Scammons Beobachtungen halten ſie ſih gewöhnlich den vierten oder fünften Teil der Zeit, welche die alten notwendig haben, über Waſſer auf, atmen 30—40mal und ſind dann fähig, 20—30 Minuten unter Waſſer zuzubringen. Geübte Walfänger verſichern, daß ſie dur< das Gehör allein den Pottwal von allen übrigen Walen unterſcheiden können, weil fein Blaſen ein ganz eigentümlihes Geräuſch verurſacht, eine Verwechſelung mit anderen großen Seeſäugern daher kaum möglich ſein ſoll.

Unter den Sinnen des Tieres glaubt man dem Gefühle den erſten Rang einräumen zu dürfen. Die mit zarten Nervenwarzen beſeßte Haut ſcheint befähigt zu ſein, den geringſten Eindru> zur Wahrnehmung zu bringen. Das Geſicht iſt niht {hle<t, das Gehör muß gut ſein, weil ſchon leichte Geräuſche wahrgenommen werden. Die Walfänger wiſſen dies auh ſehr wohl und vermeiden bei ſtillem Wetter jeglihen Lärm, wenn ſie eine Beute überraſchen wollen. Hinſihtlih ſeiner geiſtigen Fähigkeiten ähnelt der Pottwal mehr den Delphinen als den Bartenwalen. Doch meidet er die Nähe des Menſchen ungleich ängſtlicher als der den Schiffern ſo befreundete Delphin, vorausgeſebt, daß er ſich niht verfolgt oder angegriffen ſieht; denn dann tritt an die Stelle der Furchtſamkeit bisweilen eine Kampfluſt, wie wir ſie bei anderen Walen niht wiederfinden. Man hat beobachtet, daß eine Schule von Delphinen im ſtande iſt, eine ganze Herde von Pottwalen zu eiligſter Flucht zu veranlaſſen, weiß aus Erfahrung, daß alte Bullen bei Annäherung eines Schiffes ſo ſchnell wie möglich entfliehen, und kennt Beiſpiele, daß eine Schule durc plötzliche Annäherung ihrer Feinde vor Schre>en bewegungslos an einer Stelle blieb, ganz ungeſchi>te, ja geradezu verwirrte Anſtrengungen machte und dem Menſchen hierdur< Gelegenheit gab, mehrere Stücke zu bewältigen. Die Walfänger wollen wiſſen, daß dies gewöhnlich der Fall iſt, wenn zuerſt ein Weibchen verwundet wurde, wogegen die ganze Herde die Flucht ergreift, wenn das leitende Männchen ſeinen Tod fand. Nah Scammons Erfahrungen bethätigen verſchiedene Weibchen hingebende Anhänglichkeit aneinander, ſammeln ſih, wenn eins von ihnen angegriffen wird, um das betreffende Boot und verweilen in der Regel geraume Zeit bei ihrem ſterbenden Gefährten, obwohl auch ihnen unter ſolchen Umſtänden ſicheres Verderben droht. Unter jungen Männchen bemerkt man ein ſo inniges Zuſammenhalten nicht: ſie verlaſſen den haxrpunierten Genoſſen.

Verſchiedene Arten von Kopffüßern bilden die hauptſählihſte Nahrung des Pottwales. Kleine Fiſche, welche ſih zufällig in ſeinen großen Rachen verirren, werden natürlich auh mit verſhlu>t; auf ſie aber jagt unſer Wal eigentlich niht. Ältere Seefahrer erzählten, daß er ſih auch an Haifiſche, Robben, Delphine und ſelbſt an Bartenwale wage, die neueren ſorgſamen Beobachter haben jedo<h hiervon nihts bemerkt. Dagegen ſoll ex nah ihren Berihten zuweilen pfſanzlihe Nahrung genießen, wenigſtens mancherlei Baumſfrüchte, welche dur Flüſſe in das Meer geführt worden ſind, verſchlingen. Dank ſeiner Begabung, länger als jeder andere Wal unter dem Waſſer verweilen und dabei au anderen ODrdnungsgenoſſen unzugängliche Höhlen oder doh Unebenheiten des Bodens unterſuchen zu können, wird es ihm ſelten an genügender Nahrung fehlen. Die Art und Weiſe wie er ſeine Beute gewinnt, kennt man zwar no< niht genau, verſchiedene Sachverſtändige aber behaupten, daß er, nachdem er ſih in die Tiefe hinabgeſenkt hat, ſeinen ſehr beweglichen Unterkiefer ſo weit öffne, bis er faſt unter einem re<ten Winkel vom Leibe abſtehe und nunmehr langſam dur<s Waſſer ziehend, die ihm in den Weg kommende Beute ergreife, zermalme und hierauf verſchlinge. Scammon ſpricht dieſer Annahme eine gewiſſe Berehtigung zu, bemerkt aber ſehr richtig, daß über der Erbeutung ſo erſtaunlich großer Mengen von Tieren, wie ſie dieſer gewaltige Näuber zu ſeiner Sättigung bedarf, ein geheimnisvolles Dunkel liege.