Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

638 Dreizehnte Drdnung: Waltiere; ſechſte Familie: Pottwale.

Doch dürfen wir wiederum nicht vergeſſen, daß es unter den Kopffüßern, welche die Haupt: nahrung unſeres Wales bilden, Stücke von rieſiger Größe gibt, von denen eines zu mehr als einer Mahlzeit hinreichen dürfte.

Zu allen Zeiten des Jahres hat man Mütter mit ſäugenden Fungen getroffen. Bennett, welcher hierüber am genaueſten berichtet, hat die Säuglinge nur in den Monaten März, April, Oktober und November vermißt; doh beweiſt dieſe Angabe noh niht, daß zu dieſer Jahreszeit keine Fungen geboren würden. Fn der Regel bringt jedes Weibchen nah einer Tragzeit von etwa 10 Monaten (?) ſein einziges Junges oder höchſtens deren zwei zur Welt. Die neugeborenen Pottwale haben etwa den vierten Teil der Größe der Alten und ſ{hwimmen luſtig neben dieſer her. Beim Säugen ſoll ſi< die Mutter auf die Seite legen und das Junge die Zie mit dem Winkel, niht aber mit der Spige der Kiefern faſſen.

Der Pottwal wurde ſchon ſeit alten Zeiten, mit beſonderem Eifer jedoch erſt vom Ende des 17. Fahrhunderts an, nah dem Vorgange der Amerikaner, von Walfängern verfolgt. Seit Anfang unſeres Jahrhunderts iſt die Südſee der hauptſählihſte Fagdgrund dieſer Schiffer, und heutzutage noh ſind es faſt nur die Engländer und Nordamerikaner, welche ſi mit dem Fange beſchäftigen. Jn den Fahren 1820 bis 1830 ſind durch engliſche Walfänger 45,933, im Durchſchnitte alſo jährlih faſt 4600 Tonnen Walrat erbeutet worden; in den Jahren 1851 und 1832 ſtieg die Ausbeute auf 7605 und 7165 Tonnen. Seit etwa einem Menſchenalter iſt der Ertrag des Pottwalfanges bedeutend zurü>gegangen: in den fünfziger Fahren brachten die Amerikaner alljährlih rund 73,000—108,000 Faß Thran (zu 117,3 Liter), in den lebten Jahrzehnten aber dur<ſchnittlih bloß noch die Hälfte dieſes Ertrageë heim. Von einem vollwüchſigen männlichen Pottwale gewinnt man 80—120 Faß Thran; der Wert eines ſolhen Stückes ſhwankt, je nah dem außerordentlichen, we<ſelnden Stande der Preiſe, etwa zwiſchen 9000 und 20,000 Mark; die viel ſ{<wächeren Weibchen ſind niht halb ſoviel wert.

Die Jagd auf den Pottwal iſt mit größeren Gefahren verbunden als der Fang anderer Wale. Ausnahmsweiſe nur verſucht ein Bartenwal ſeinem kühnen Feinde Schaden zuzufügen, während jener, wenn er angegriffen wird, ſih verteidigt, mutig auf ſeinen Gegner losſtürmt und beim Angriffe ſich nicht allein ſeines Schwanzes, ſondern auch feines furchtbaren Gebiſſes bedient. Daß er ſih au< mit den Zähnen verteidigt, geht aus verſchiedenen Beobachtungen hervor: ſo erlegt man zuweilen einzelne alte Männchen mit gänzlih verſtümmeltem Unterkiefer, welche offenbar vorher einen Kampf mit ihresgleichen oder einem noh unbekannten Leviathan der Tiefe ausgefohten haben mußten; außerdem wiſſen die Walfänger aus \{<limmen Erfahrungen, daß der kämpfende Pottwal die Boote nicht bloß mit dem Kopfe anrxennt oder mit dem Schwanze zerſhlägt, ſondern ſie wirklich auch in ſeinen Rachen nimmt und mit Leichtigkeit zermalmt. Wie beſtimmte Beobachtungen dargethan haben, iſt ex im ſtande, ſeinen zähneſtarrenden Unterkiefer faſt bis zum reten Winkel vom Oberkiefer zu entfernen und ihn auch ſeitlih überraſchend weit zu bewegen. Wenn er angeworfen wird, bleibt er zuweilen einige Augenbli>e wie gelähmt im Waſſer liegen und gibt dann dem achtſamen Walfänger Gelegenheit, ihn ſchnell abzuthun; in der Regel aber kämpft er verzweiflungsvoll um ſein Leben und ſucht keineswegs immer ſein Heil in der Flucht, ſondern erwidert die ihm angethane Unbill mit Wut und Fngrimm. Alle erfahrenen Seeleute wiſſen von Unglü>sfällen zu erzählen, welhe dur ihn herbeigeführt wurden; manche dieſer Erzählungen mögen ausgeſ<müd>t oder gänzlich erfunden ſein, andere aber ſind durchaus und urkundlih verbürgt. Einige dieſer Vorfälle ſeien hier wiedergegeben.

Das Schiff „Nantu>ket“ wurde im Jahre 1807 unfern der Küſte von Maſſachuſetts durch einen Pottwal zum vollſtändigen Wracke gemacht. Jm Jahre 1820 jagten die Boote des Schifſes „Eſſex“ in der Südſee auf eine Schule Pottwale, während das Schiff unter