Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

642 Vierzehnte Ordnung: Beuteltiere.

zu ähnlichen Empfindungen. Das eine erregt höchſtens unſere Verwunderung, niht aber unſeren Beifall, das andere vielleicht unſere Lachhluſt, das dritte ſtößt uns geradezu ab. Jrgend etwas fehlt unſerem durch andere Tiergeſtalten verwöhnten Auge ſtets, wenn es das Beuteltier muſtert. Unterſuchen wir den Zahnbau, ſo geſtaltet ſi< unſere Anſicht über die Bedeutung des Tieres niht günſtiger; denn au< das Gebiß erſcheint, verglichen mit dem entſprechender Raub- und Nagetiere, unvollkommener und mangelhafter. Der Raubbeutler beſit der Zähne genug in ſeinem Maule, ſie ſind auh in ähnlicher Weiſe aeordnet wie bei den Raubtieren, ſtets aber unentwi>elter als hier, entweder regelloſer geſtellt oder ſtumpfer, ſogar minder ſ{<ön von Färbung, weniger weiß und rein als die des vollendeten Räubers ſpäterer Zeit. Was für Raubbeutler Gültigkeit hat, läßt ſi< au< von den übrigen Beuteltieren ſagen, und es erſcheint ſomit die Anſchauung, daß wir es mit unvollkommenen, no< niht genügend entwid>elten Weſen zu thun haben, durhaus gere<tfertigt.

Über die Leibesbildung der Beuteltiere läßt ſi< im allgemeinen wenig ſagen. Die verſchiedenen Glieder der Ordnung weichen mehr voneinander ab als die jeder anderen. Mit dem Gebiſſe ſteht natürlih der Bau der Verdauungswerktzeuge und gewiſſermaßen auch die äußere Gliederung im Einklange, und da wir unter den Beuteltieren ebenſowohl e<te Raubtiere wie e<hte Grasfreſſer, ja ſogar Gruppen haben, welche an die Wiederkäuer erinnern, läßt ſi<h von einer gleihmäßigen Geſtaltung der Angehörigen dieſer Ordnung kaum reden. Ganz abgeſehen von der Größe, welche zwiſchen der eines mittelgroßen Hirſches und einer Spißmaus ſchwankt, vereinigt keine andere Ordnung ſo verſchiedenartige Tiere in ſih, und es erſcheint deshalb überflüſſig, an dieſer Stelle etwas zu ſagen, was im Verlaufe der Schilderung doh wiederholt werden müßte. Am Gerippe laſſen ſi< gemeinſame Eigentümlicheiten nahweiſen. Der Schädel iſt in der Regel kegelig verlängert; der Hirnteil erſcheint im Verhältnis zum Geſichtsteil und zur Naſenhöhle kleiner als bei den bereits beſprochenen Tieren; die einzelnen Knochen verwachſen nicht ſo früh und innig miteinander wie bei dieſen, insbeſondere die Teile des Hinterhaupt- und Schläfenbeins bleiben oft getrennt. Bezeihnend ſind zwei oder mehrere Löcher im harten Gaumen, teils im Oberkiefer, teils in dem Gaumenbeine. Die Wirbelſäule beſteht regelmäßig aus 7 Hal3wirbeln, 12—15 rippentragenden, 4—6 rippenloſen, 2—7 Kreuz- und verſchieden vielen Shwanzwirbeln, da der Schwanz entweder äußerlich vollkommen fehlt oder verkümmert oder bei anderen eine außerordentliche Entwickelung erlangt. Ein Schlüſſelbein iſt, mit Ausnahme weniger Arten, ſtets vorhanden, der Bau der Vorder- und Hinterglieder dagegen großen Shwankungen unterworfen. Das Gehirn zeichnet ſih dur geringe Entwickelung der beinahe vollfommen platten Großhirnhälften niht eben zum Vorteile der Beuteltiere aus und erklärt ihren durchſchnittli geringen Verſtand zur Genüge. Der Magen iſt bei den Fleiſch, Kerbtiere und Früchte freſſenden Arten einfach und rundlich, bei anderen merklih verlängert, der Darm ebenſo vielfah verſchieden. Das Gebiß der Beuteltiere läßt ſi nur inſoweit mit dem der höher entwi>elten Säugetiere vergleichen, als die Zähne zum Teil gewechſelt werden, unterſcheidet ſih aber in allem übrigen ſehr weſentlih. Fnsbeſondere zeichnen ſih die meiſten Beuteltiere dur einen großen Zahnreihtum aus. Die bei den Fleiſhfreſſern ſehr kräftigen C>zähne verfümmern bei den Pflanzenfreſſern oder fehlen vielen von ihnen gänzlih; die Anzahl der Schneidezähne iſt in der Regel in beiden Kiefern ungleich; die Lü>enzähne ſind zweiwurzelig, die Backenzähne ſpizhöckerig oder mit verſchiedenartig gewundenen Schmelzfalten verſehen. Gemeinſam allen Mitgliedern der Ordnung iſt der Bau der Geſchlechtsteile und der Beſiß von Beutelknochen. Die leßteren entſtehen aus den Sehnen des äußeren ſchiefen Bauchmusfels, wel<he ſi<h vorn auf dem Schambeine aufſeßen, verknöchhern und ſomit zu den ſogenannten Beutelknochen werden, welche zwar auh beim Männchen vorhanden ſind, beim Weibchen aber doh durch Verſtärkung der Bauchwand dazu beitragen dürften, die im Beutel