Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

644 Vierzehnte Ordnung: Beuteltiere; erjte Familie: Springbeutler.

wenn man die geiſtigen Fähigkeiten in Betracht zieht. Aus dem Auge, mag es auh groß und klax ſein, ſpricht geiſtige Öde und Leere, und die eingehendſte Beobachtung ſtraft dieſen Eindru> nicht Lügen. Gleichgültigkeit gegen die Umgebung, ſoweit es ſi<h niht um eine vielleiht zu bewältigende Beute handelt, alſo ſoweit der Magen niht ins Spiel kommt, Teilnahmloſigkeit gegenüber den verſchiedenartigſten Verhältniſſen, Mangel an Zuneigung, Liebe und Freundſchaft ſcheinen allen Beuteltieren gemeinſam zu ſein. Von einem Sichfügen in die Verhältniſſe, von einem An- und Eingewöhnen bemerkt man bei dieſen zurü>gebliebenen Geſchöpfen wenig oder nihts. Man nennt einzelne Naubbeutler bösartig und biſſig, weil ſie, in die Enge getrieben, ihre Zähne rü>ſi<htslos gebrauchen, einzelne pflanzenfreſſende Beutler dagegen ſanft und gutmütig, weil ſie ſih kaum oder niht zu wehren verſuchen, bezeihnet damit aber weder das Weſen der einen noh der anderen rihtig. Aus dem wehrhafteſten Naubtiere, welches im Anfange ſeiner Gefangenſchaft wütend und grimmig um ſi beißt, wird bei guter Behandlung nah und nach ein menſchenfreundliches, zuthunlies Weſen: das Beuteltier bleibt ſih immer gleih und lernt auh nath jahrelanger Gefangenſchaft den ihn pflegenden Wärter kaum von anderen Leuten unterſcheiden. Ebenſowenig als es ſi<-dem Menſchen unterwirft, ihm etwas zu Gefallen thut, ſeinen Wünſchen ſih fügt, Zuneigung und Anhänglichkeit an ihn gewinnt, befreundet es ſih mit anderen Tieren, kaum mit ſeinesgleichen. Liebe und Haß ſcheinen in der Seele des Beuteltieres nur angedeutet zu ſein; Gleichgültigkeit und Teilnahmloſigkeit bekundet ſelbſt die Mutter den Jungen gegenüber, mit welchen ſie ſi< mehr und länger beſchäftigt als irgend ein höheres Tier. Zeigt ſie wirklih Regungen der Mütterlichkeit und Zärtlichkeit, ſo erſcheinen dieſe dem aufmerkſamen Beobachter als mechaniſche, niht aber als ſelbſtbewußte Handlungen. Von dem mütterlichen Stolze angeſichts des Sproſſen, von der Freude, welche die höherſtehende Säugetiermutter an ihrem Nahkömmlinge hat, bemerkt man bei dem Beuteltiere nichts. Keine Beuteltiermutter ſpielt, ſoweit mir bekannt, mit ihren Jungen, keine belehrt, feine unterrihtet ſie. Das Junge lernt, wenn es ſi< im Beutel befindet, nah und nah in dem engen Kreiſe ſeines Wirkens ſich zurecht finden und bewegen, flüchtet, einigermaßen ſelbſtändig geworden, bei Gefahr in den Beutel zurü>, wird auh wohl von der Mutter hierzu eingeladen und verläßt den Beutel endlih, wenn der Mutter die Laſt zu groß, vielleicht indem es von ihr vertrieben wird, kehrt jedoh auh manhmal dann noc, ſelbſt wenn es bereits Mutterfreuden genießt und für eigene Nachkommenſchaft zu ſorgen hat, zeitweilig zu der Alten zurü>, um womöglich mit den nahgeborenen Geſchwiſtern zu ſaugen, erlangt alfo eine wirkliche Selbſtändigkeit erſt in einem ſehr ſpäten Abſchnitte ſeines Lebens.

Die Nahrung der Beuteltiere iſt eine höchſt verſchiedene. Alle Arten, welhe Raubtieren entſprechen, ſtellen anderen Tieren nah, freſſen Muſcheln, Fiſche und was ſonſt die See auswirſt oder Aas von Landtieren; die kleineren Arten jagen auf Vögel, Kerbtiere und Würmer; die Pflanzenfreſſer nähren ſih von Früchten, Blättern, Gräſern und Wurzeln, welche ſie abpflücken und abweiden. Jene verurſachen mancherlei Schaden und Arger, indem ſie den Herden nachſtellen, nachts ſih in die Hühnerſtälle einſhleihen und fonſtigen Unfug verüben, die übrigen werden ſchon aus dem Grunde kaum läſtig, weil der einwandernde Weiße, welcher das Land in Beſiz nimmt, ſie ſobald wie möglich ausrottet, weniger einen beſtimmten Zwe> verfolgend, als ungezügelter Fagdluſt genügend. Fm allgemeinen iſt weder der Nußen noch der Schade, welchen die Beuteltiere bringen, von erheblichem Belange. Man benugt das Fleiſch und das Fell nur von wenigen und weiß mit den übrigen nichts anzufangen.

Die im Jahre 1888 von Thomas unterſchiedenen 6 Familien, 37 Gattungen Und 151 Arten der Beuteltiere verteilen ſi< auf zwei durh das Gebiß gekennzeichnete Unterordnungen, die Pflanzen- und die Fleiſchfreſſer.