Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

656 Vierzehnte Ordnung: Beuteltiere; erſte Familie: Springbeutler.

man, in den Männchen die Leittiere eines Trupps annehmen zu dürfen, wahrſcheinlich, weil ſie ihrer bedeutenden Größe wegen zu ſolchem Amte geeignet erſcheinen mochten; aber au< dieſe Annahme hat ſih als unrichtig herausgeſtellt. Alle Beobachter ſtimmen darin überein, daß das Rieſenkänguruh im hohen Grade ſcheu und fur<htſam iſ und dem Menſchen nur ſelten erlaubt, ihm in erwünſchter Weiſe ſih zu nähern. Gould, welcher ein vortreffliches Werk über die Säugetiere Auſtraliens geſchrieben hat, ſagt über die flüchtigen Rieſenkänguruhs folgendes: „Zh erinnere mi mit beſonderer Vorliebe eines ſ{hönen Boomers, welcher ſih in der offenen Ebene zwiſchen den Hunden plößlih aufrihtete und dann dahinjagte. Zuerſt warf er ſeinen Kopf empor, um nah ſeinen Verfolgern zu ſchielen und gleichzeitig zu ſehen, welche Seite des Weges ihm offen war; dann aber jagte er, ohne einen Augenbli> zU zögern, vorwärts und gab uns Gelegenheit, das tollſte Rennen zu beobachten, welches ein Tier jemals vor unſeren Augen ausgeführt hat. Jun einem Zuge rannte der vogelſchnelle Läuſer 14 (engliſche) Meilen, und da er vollen Spielraum hatte, zweifelte ih niht im geringſten, daß er uns entkommen würde. Zu ſeinem Unglücke aber hatte er ſeinen Weg nach einer Landzunge gerichtet, welche ungefähr 2 Meilen weit in die See hinauslief. Dort wurde ihm der Weg abgeſchnitten und er gezwungen, ſ{hwimmend ſeine Rettung zu ſuchen. Der Meeresarm, welcher ihn vom feſten Lande trennte, mohte ungefähr 2 Meilen breit ſein, und eine friſche Briſe trieb die Wellen hart gegen ihn. Aber es blieb ihm keine andere Wahl, als entweder den Kampf mit den Hunden aufzunehmen, oder ſeine Rettung in der See zu ſuhen. Ohne Beſinnen ſtürzte er ſi< in die Wogen und durhſ<hwamm ſie mutig, obgleich die Wellen halb über ihn hinweggingen. Schließlich jedo< wurde er genötigt, umzukehren, und abgemattet und entkräftet, wie er wax, erlag er nunmehr ſeinen Verfolgern in kurzer Friſt. Die Entfernung, welche er auf ſeiner Flucht durchjagt hatte, konnte, wenn man die verſchiedenen Krümmungen hinzurehnen wollte, niht unter 18 Meilen betragen haben, und ſiherli<h dur<ſ<hwamm er no< 2 Meilen. Jh bin niht im ſtande, die Zeit zu beſtimmen, in welcher er dieſe Stre>e durhrannte, glaube jedoch, daß ungefähr 2 Stunden vergangen ſein mochten, als er am Ende der betreffenden Landzunge ankam. Dort aber ſprang ex noch ebenſo ſchnell wie am Anfange.“

Jm übrigen habe ih über das Leben des Tieres nach dem bereits Mitgeteilten nichts weiter zu bemerken; denn gerade an dieſer Art der Familie hat man die meiſten Beobachtungen gemacht. Gegenwärtig ſieht man das Rieſenkänguruh ſeltener bei uns in der Gefangenſchaft als früher, da es in ſeiner Heimat weit häufiger war. Bei guter Pflege dauert es bei uns lange aus; einzelne lebten 10—25 Jahre in Europa.

Die kleineren Arten der Gattung nennt man im Gegenſate zu den großen, den Känguruhs im engſten Sinne, Wall abys; eine der hübſcheſten unter ihnen iſt das Pademelon (Macropus thetidis, Halmaturus thetidis und nuchalis). ES erreicht faum den dritten Teil des Rieſenkänguruhs; ſeine Länge beträgt nur 1,1 m, wovon 45 em auf den Schwanz zu rechnen ſind. Das Fell iſt lang und weich, die Färbung dex oberen Teile ein Braungrau, welches im Nacken in Roſtrot übergeht, die der Unterſeite iſt weiß oder gelblichweiß; die Seiten ſind rötlih, die Füße gleihmäßig braun, die Vorderfüße grau; der mit turzen, harſhen Haaren bede>te Schwanz ſieht oben grau, unten bräunlihweiß aus.

Das Pademelon bewohnt buſchreiche Gegenden von Süd-Queensland, Neuſüdwales und Victoria und lebt hier einzeln und in kleinen Trupps, wegen ſeines zarten, höchſt wohl[<me>enden Fleiſches, welches dem Wildbrete unſeres Haſen ähnelt, eifrig verfolgt von den Eingeborenen wie von den Anſiedlern. Jn ſeiner Lebensweiſe ähnelt es durchaus ſeinen Verwandten. An Gefangenen iſt mir aufgefallen, daß ſie ihre Vorderglieder beim Sprvingen ziemli<h ausgebreitet, ſeitlih vom Leibe abſtehend tragen, während andere Arten ſie