Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

Tüpfelkuskus Weſen. Bewegungen. Zählebigkeit. 671

Später berichten uns Leſſon und Garnot, welche eine verwandte Art in Neu-Me>lenburg trafen: „Die Eingeborenen brachten täglich eine Menge dieſer Tiere lebendig ans Schiff. Sie hatten ihnen die Beine gebrochen und ein Stü> Holz ins Maul geſte>, wahrſhheinlih um das Beißen zu verhindern. Jhren Erzählungen nach verraten ſich die Kuskuten durch ihren Geſtank und werden dann dur< Anſtarren mit den Augen gebannt und, wenn ſie aus Ermüdung den Shwanz loslaſſen und herunterfallen, gefangen. Die Eingeborenen lieben das fette Fleiſ< ungemein, weiden die Gefangenen aus und braten ſie mit Haut und Haaren auf Kohlen. Aus den Zähnen werden Halsſ<hnüre, Gürtel und Verzierungen der Waffen, oft von Klafterlänge, bereitet.“

Quoy und Gaimard bemerken, daß der Tüpfelkuskus die Faultiere Amerikas vorzuſtellen ſcheine. Er ſei ebenſo ſtumpf und bringe den größten Teil ſeines Lebens in der Dunkelheit zu. Von dem Lihhte beläſtigt, ſte>t er den Kopf zwiſchen die Beine und verändert dieſe Lage bloß dann, wenn er freſſen will; dabei beweiſt er eine große Begierde, jo ſtumpf er ſonſt auch iſt. Jn den Wäldern nähren ſi alle bekannten Arten von würzigen Früchten; in der Gefangenſchaft freſſen ſie, wenn ihnen Pflanzennahrung mangelt, auh rohes Fleiſch. Fhr Betragen im Käfige oder Zimmer iſt ebenſowenig angenehm wie ihr Anſehen. Sie ſind langſam und ſtill, ſ<hläfrig und grämlich, freſſen gierig und ſaufen ſehr viel. Mit ihresgleihen vertragen ſie ſi <le<t, hauen oft unter Knurren und gellendem Schreien auſeinander los, fauhen wie die Kaßen, ziſhen und zerren einander. Während des Tages ſehen ihre großen karminroten Augen, deren Stern auf einen ſhmalen Spalt zuſammengezogen iſt, eigentümlih dumm und blöde aus; in der Nacht leuchten ſie wie die anderer Nachttiere: dann erinnern ſie in vieler Hinſicht an die der Loris. Wenn ſie nicht [reſſen oder ſchlafen, le>en ſie ſich an den Pfoten oder am Schwanze; einen anderen Zeitvertreib ſcheinen ſie niht zu kennen. Die Tiere heißen übrigens bloß auf Amboina Ku3fus; in Auſtralien nennt man ſie Gebun, auf Waigiu Nambawe oder Schamſcham, auf Aru Wangal, und wahrſcheinlih führen ſie auf jeder Jnſel einen beſonderen Namen.

Wallace weiß den vorſtehenden Mitteilungen wenig beizufügen. Nach ſeinen Beoba<tungen ernähren ſih die Kusfuten faſt ausſcließli< von Blättern und verſchlingen von dieſen ſehr bedeutende Mengen. FJnfolge der Dite ihres Pelzes und ihrer auffallenden Lebenszähigkeit erlangt man ſie niht leiht. Ein tüchtiger Schuß bleibt oft in ihrer Haut ſte>en, ohne ihnen zu ſchaden, und ſelbſt wenn ſie das Nückgrat brechen oder ein Schrottorn ins Gehirn erhalten, ſterben ſie oft erſt nah einigen Stunden. Die Eingeborenen fangen ſie ohne Mühe, indem ſie ihnen auf die Bäume nachflettern, ſo daß man ſi eigentlich wundern muß, ſie no< auf den Jnſeln zu finden. Auf einer der Aru-Fnſeln brachten Eingeborene Wallace einen erlegten Tüpfelkuskus wollten ihn aber nicht abtreten, weil ſie das Fleiſh zu genießen beabſihtigten. Da es dem Reiſenden um den Balg zu thun wax, mußte er ſi entſchließen, ſofort mit dem Abſtreifen zu beginnen, um ihn überhaupt zu erlangen. Der Leib wurde von den glücklichen Jägern unverzüglich zerſchnitten und geröſtet.

Auffallend bleibt es trog dieſer Liebhaberei der Eingeborenen für Kuskusfleiſh, daß gefangene Kuskuten äußerſt ſelten lebend na< Europa gelangen, obwohl die Bewohner dec Molukken und Aru-Jnſeln einen ſ<wunghaften Handel mit Tieren betreiben, um europäiſche Erzeugniſſe einzutauſchen.

Viel häufiger gelangen die Kuſus (Trichosurus) zu uns, den Kuskuten ſehr nahe verwandte Kletterbeuteltiere, mit ebenſolhem Gebiſſe wie dieſe, äußerlich unterſchieden dur rundlichen Augenſtern, ziemlih große Ohren, glatthaarigen Pelz und bis auf die Unterſeite der Endſpize behaarten Schwanz.