Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

678 Vierzehnte Drdnung: Beuteltiere; zweite Familie: Kletterbeutler.

ein Tier, welches in ſeiner frühen Jugend ſich fſo wütend gebärdet, im Alter ein ſ{hlimmer Beißer ſein muß. Nah und na< wurde mein Gefangener zahmer und litt daß man ihn in die Hand nahm, ohne daß er kraßie und zubiß. Auch le>te er die Hand, wenn man ihm Süßigkeiten reihte, welche er außerordentlich liebte, und erlaubte, daß man ſeine fleine Naſe berührte und ſein Fell unterſuchte. Aber ſowie es ſih jemand herausnahm, ihn beim Körper zu erfaſſen, wurde er außerordentli<h wütend und biß und kraßte in wildem Zorne, dabei ſein ſhnurrendes, ſ<hnaubendes und ſpu>endes Knurren ausſtoßend. Ruhiger war er, wenn man ihn beim Schwanze pa>te und ihn niht zu lange feſthielt. Dabei breitete er ſeine Fallhaut aus, als wolle ex ſi< vor einem Sturze ſichern. Jn dieſer Lage fonnte man ſein wundervolles Fell oben und unten viel beſſer als in jeder anderen Stellung ſehen. Obgleich er zahm geworden wax, ſchien er doh niht die geringſte Zuneigung gegen diejenigen zu zeigen, welche ihn fütterten; denn er benahm ſi< gegen Fremde oder gegen die ihm bekannten Perſonen glei<h gut oder gleich \{<le<t.

„Während des Tages lag er zu einem Balle zuſammengerollt, ſeinen buſchigen Shwanz über ſih gede>t, ſtill und ruhig. Nux zuweilen wachte ex auf und fraß ein wenig. Bei ſolchen Gelegenheiten erſchien er halb blind oder bewies wenigſtens deutlih, daß ihm das helle Tageslicht höchſt unangenehm war. Aber in der Dämmerung des Abends und în der Nacht begann ſein volles Leben und ſeine Thätigkeit. Dann war er ein ganz anderes Ge\{<höpf. Jn ſeinem Käfige lief er oben und unten herum, ruhe- und raſtlos ſtieg er an den Stäben in die Höhe, ohne nux einen Augenbli> ſtillzuhalten. Fm Zimmer freigelaſſen, kletterte er ſofort auf die höchſten Stellen der Einrihtungsgegenſtände, und je mehr er ſih bewegen konnte, um ſo zufriedener und behaglicher ſcien er ſich zu fühlen. Er zeigte fich jebt als das gerade Gegenteil des hilfloſen Weſens, welches er bei Tage war. Nur einmal habe ih ihn au< während des Tages lebendig geſehen. Das war îim Tiergarten zu London, wo ihm der düſtere Himmel der Rieſenſtadt wohl glauben laſſen mochte, daß bereits die Nacht hereingebrochen wäre.

„Wir fütterten ihn mit Mil, Roſinen und Mandeln. Süßigkeiten aller Art, eingemachte Früchte ſowohl als Zuker, zog er allem übrigen vor. Die Früchte ſog er aus, daß bloß no die Schale übrigblieb. Ex beduxfte wenig, wurde aber fett und befand ſih ſehr wohl. Jn einer Nacht entkam ex aus ſeinem Gefängniſſe, wurde aber am nächſten Tage in den höchſten Zweigen eines luftigen Weidenbaumes geſehen, wo ex ſih in einer der Gabeln gemütlih ausruhete. Ein Knabe mußte ihm nachklettern und fand ihn oben im tiefen Schlafe. Er näherte ſi ihm, ohne gehört oder geſehen zu werden, ergriff ihn beim Shwanze und warf ihn etwa 20 m tief herab. Ex breitete ſofort ſeinen Fallſchirm aus und kam wohlbehalten und geſund unten an, wo ex augenbli>lih wieder gefangen wurde. Oft ſieht man ihn, wenn ex frißt, behaglih auf dem Rücken liegen; beim Trinken aber hält er das kleine Gefäß zwiſchen ſeinen Vorderfüßen und le>t wie eine junge Kaze. Auf der Reiſe nah London konnten wix ihm glücklicherweiſe fortwährend Milch verſchaffen, und ſo befand er ſih ſtets wohl. Nach und nah war ex ſo zahm geworden, daß wix ihn gelegentlih abends auf dem De> umherlaufen laſſen konnten. Dort ſpielte er mit ſich ſelbſt wie eine junge Kaße und ſchien ſih ſehr zu freuen, wenn man ihn krauete. Doch auch jet noh ließ ex ſi< ungern gefangen nehmen und ſpu>te und ſchnappte augenbli{lih nach der Hand, welche ihn aufnahm.“

Über die Fortpflanzung des Zuereichhornes ſcheint noh ni<ts bekannt zu ſein, wenigſtens finde ih in feinem der mix zugänglichen Werke darüber etwas Sicheres mitgeteilt.

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