Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

Saatkrähe: Nahrung, Nüblichkeit, Fortpflanzung. 439

Anſtrengung, die der Rat der guten Stadt Leipzig machte, um ſih der Saatkrähen, welche ſih auf den hohen Pappeln der Promenade angeſiedelt hatten, zu entledigen. Zuerſt wurde die bewehrte Mannſchaft aufgeboten, hierauf fogar die Sharfſchüßen in Bewegung geſeßt: nihts wollte fru<ten. Da griff man, wie es ſchien in Verzweiflung, zu dem lebten Mittel: man 3og die blutrote Fahne des Umſturzes auf. Buchſtäblich wahr: rote Fahnen flatterten unmittelbar neben und über den Neſtern luſtig im Winde, zum Grauen und Entſetzen aller friedliebenden Bürger. Aber die Krähen ließen ſi<h au< dur< das verdächtige Not nicht vertreiben. Erſt als man ihnen ebenſo hartnädig ihre Neſter immer und immer wieder zerſtörte, verließen ſie den Ort.

Mancherlei Übelthaten ſind allerdings nicht geeignet, urteilsloſe Menſchen mit den Saatkrähen zu befreunden; wer aber ihre Nüßlichkeit würdigt, wird ſie wenigſtens in Feld: gehölzen, die von Wohnungen entfernt ſind, gern gewähren laſſen.

So groß auch die Menge iſt, die eine Anſiedelung bevölkert: mit den Maſſen, welche ſih gelegentlih der Winterreiſe zuſammenſchlagen, kann ſie niht verglichen werden. Tauſende geſellen ſih zu Tauſenden, und die Heere wachſen um ſo mehr an, je länger die Reiſe währt. Sie verſtärken ſich niht bloß dur< andere Saatkrähen, ſondern au< dur< Dohlen. „Jn dem ungünſtigen Frühlinge 1818“, erzählt mein Vater, „ſah ih einen Shwarm dieſer Krähen an der Kante eines Waldes. Er bede>te im Umkreiſe mehrerer Quadratkilometer alle Bäume und einen großen Teil der Felder und Wieſen. Gegen Abend erhob ſih der ganze Shwarm und verfinſterte da, wo ex am dichteſten zuſammengedrängt war, im eigentlihen Sinne die Luft. Die Bäume des nahen Fichtenwaldes reihten kaum hin, den unzähligen Vögeln Sthlafſtellen abzugeben.“ Ziehende Saatkrähen entfalten alle Künſte des Fluges. Über die Berge fliegt der Shwarm gewöhnlih niedrig, über die Thäler oft in großer Höhe dahin. Plöblich fällt es einer ein, 30—100 m herabzuſteigen; dies aber geſchieht niht langſam und gemächlih, ſondern jäh, ſauſend, ſo wie ein lebloſer Körper aus großer Höhe zu Boden ſtürzt. Der einen folgen ſofort eine Menge andere, zuweilen der ganze Flug, und dann erfüllt die Luft ein auf weithin hörbares Brauſen. Unten, hart über dem Boden angekommen, fliegen die Saatkrähen gemächli<h weiter, erheben ſih hierauf allgemach wieder in die Höhe, ſchrauben ſi<h na<h und na< mehr empor und ziehen kaum eine Viertelſtunde ſpäter, dem Auge als kleine Pünktchen erſcheinend, in den höchſten Luftſchichten weiter.

Jm Süden Europas oder in Nordafrika ſieht man ſelten ſo große Flüge der Saatfrähe wie bei uns. Das gewaltige Heer, das ſih allgema<h ſammelte, hat ſih nah und nah wieder in einzelne Haufen zerteilt; dieſe aber ſuchen verſchiedene Örtlichkeiten beſtmögli<h auszubeuten. Aber es geht ihnen, namentlih in Afrika, oft re<ht ſ{<hlimm in der Fremde. Das fruchtbare Nilthal ſcheint für alle eingewanderten Saatkrähen niht Raum und Nahrung genug zu haben. Sie fliegen dann in die umliegenden Wüſten nah Futter aus, finden es niht und erliegen zu Hunderten dem Mangel. Die Moſesquellen in der Nähe von Sues werden von Palmen umgeben und leßtere von den {warzen Wintergäſten zum Schlafplabe gewählt. Hier fand i< einmal den Boden bede>t von toten Saatkrähen, LRS Hunderte von Leichen nebeneinander. Sie alle waren verhungert.

Die Feinde, die der Saatkrähe nachſtellen, ſind dieſelben, welche auch die verwandten Arten bedrohen. Jn Gefangenſchaft iſt ſie weniger unterhaltend und minder anziehend, wird daher auch ſeltener im Käfige gehalten als Rabe und Dohle.

Junge Krähen aller Arten werden in verſchiedenen Gegenden von der ärmeren Bevölkerung gern gegeſſen und liefern überhaupt ein gar niht übelſ<me>endes Gericht. Das Fleiſch alter Vögel iſt freilih nihts weniger als empfehlenswert, wird aber dennoch in unfruchtbaren Teilen unſeres Vaterlandes ebenfalls als Nahrungsmittel verwendet, ſpielt ſogar in.