Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

AAA Erſte Ordnung: Baumvögel; ſiebzehnte Familie: Raben.

verbreitend; au< in bergigen Gebieten Turkmeniens und bis in den weſtlihen Himalaja iſt ſie Brutvogel und ſtreift während des Winters zahlreich bis in das Pandſchab. Jm Süden Europas iſt ſie ſeltener als in Deutſchland, nirgends aber ſo häufig wie in Rußland und Sibirien. Bei uns zu Lande tritt ſie keineswegs allerorten, ſondern nur hier und da auf, ohne daß man hierfür einen ſtihhaltigen Grund zu finden wüßte. Wo ſie vorkommt, bewohnt ſie hauptſächlich die alten Türme der Städte oder andere hohe Gebäude, deren Mauern ihr paſſende Niſtpläße gewähren; außerdem begegnet man ihr in Laubwäldern, namentlich in Feldgehölzen, in denen hohle Bäume ſtehen. Fn Rußland und Sibirien bevölkert ſie alle Dörfer in Menge, wird den Blockhäuſern zum reizenden Shmu>e und niſtet unter Schindeldächern, hinter den zurü>geflappten Fenſterladen und wo ſie ſonſt no< eine Höhlung oder Lüke findet, die ihrem Neſte Raum gewährt.

Jn Spanien trafen wix die wenigen Flüge, denen wir begegneten, unter eigentümlihen Umſtänden an. Ungeachtet die vielen und in jeder Hinſicht geeigneten Kirchen dieſes Landes ihr die paſſendſten Wohnpläte bieten, ſahen wir ſie doh niemals in Städten oder Dörfern, ſondern einzig und allein in den öden, faſt unbewohnten Teilen des ſogenannten Campo oder des nicht der Bewäſſerung unterworfenen Landſtriches. Hier herbergten ihre Schwärme in ſteil abfallenden Wänden der vom Waſſer ausgewaſchenen Shluchten. Ein unfern wohnender Bauer erzählte uns, daß vor wenigen Fahren ein Paar Dohlen in der Nähe ſeines Gehöftes erſchienen ſei und \i< in einer jener Schluchten angeſiedelt habe. Die ausgeflogenen Jungen wären bei den Alten geblieben und hätten das nächſte Fahr mit dieſen gebrütet. Von Jahr zu Fahr habe der Shwarm zugenommen, bis er die jett bedrohliche Stärke erreiht habe; denn feine Frucht gäbe es in der Nähe ſeiner Behauſung, die von dieſen ungebetenen Gäſten verſchont bliebe. Kein Tier auf der weiten Erde ſei ſo hungrig und gefräßig wie die Dohle. Jhr ſei alles re<t und nichts vor ihr ſicher, niht einmal die Stachelfeigen, die ſie geſhi>t aus ihrer Stachelhülle herauszuſchälen wiſſe.

Die Dohle iſ ein munterer, lebhafter, gewandter und kluger Vogel. Unter allen Umſtänden weiß ſie ihre muntere Laune zu bewahren und die Gegend, in welcher ſie heimiſch iſt, in wirklih anmutiger Weiſe zu beleben. Außerordentlich geſellig, vereinigt ſie ſih niht nux mit anderen ihrer Art zu ſtarken Shwärmen, ſondern miſt ſi< au<h unter die Flüge der Krähen, namentlih der Saatkrähen, tritt ſogar mit dieſen die Winterreiſe an und fliegt ihnen zu Gefallen mögli<hſt langſam; denn ſie ſelbſt iſt au<h im Fluge ſehr gewandt und gleicht hinſichtlih des leßteren mehr einer Taube als einer Krähe. Das Fliegen wird ihr ſo leicht, daß ſie ſi< ſehr häufig dur< allerhand kühne Wendungen zu vergnügen ſucht, ohne Zwe> und Ziel ſteigt und fällt und die mannigſachſten anmutigſten Schwenkungen in der Luft ausführt. Sie iſt ebenſo flug wie der Rabe, zeigt aber nur deſſen liebenswürdige Seiten. Lo>tend ſtößt ſie ein wirklih wohllautendes „Jäk“ oder „Djär“ aus; ſonſt ſchreit ſie „fräh“ und „krijäh“. Jhr „Jäk jäk“ ähnelt dem Lo>rufe der Saatkrähe auf das täuſchendſte, und dies mag wohl auch mit dazu beitragen, beide Vögel ſo häufig zu verbinden. Während der Zeit ihrer Liebe hwaßtt ſie allerliebſt, wie überhaupt ihre Stimme biegſam und wedſelreih iſt. Dies erklärt, daß ſie ohne ſonderlihe Mühe menſ<hlihe Worte nachſprechen oder andere Laute, z. B. das Krähen eines Hahnes, nachahmen lernt.

Hinſichtlih der Nahrung kommt die Dohle am nächſten mit der Saatkrähe überein. Kerbtiere aller Art, Schne>en und Würmer bilden unzweifelhaft die Hauptmaſſe ihrer Mahlzeiten. * Die Kerbtiere lieſt ſie auf den Wieſen und Feldern zuſammen oder von dem Nüken der größeren Haustiere ab; dem Ackersmanne folgt ſie, vertrauensvoll hinter dem Pfluge herſchreitend; auf den Straßen durchſtöbert ſie den Miſt und vor den Häuſern den Abfall; Mäuſe weiß ſie geſchi>t, junge Vögel niht weniger gewandt zu fangen, und Eier gehören zu ihren beſonderen Lieblingsgerichten. Nicht minder gern frißt ſie Pflanzenſtoffe,