Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

Häher: Begabung. Nahrung. Räubereien, 455

„Margolf“ aus. Außer dieſen Naturlauten ſtiehlt ex alle Töne und Laute zuſammen, die er in ſeinem Gebiete hören kann. Den miauenden Ruf des Buſſards gibt er auf das täuſchendſte und ſo regelmäßig wieder, daß man im Zweifel bleibt, ob er damit fremdes oder eigenes Gut zu Markte bringt. Für erſteres ſprechen andere Beobachtungen. Man weiß, daß er die Laute hören ließ, die das Schärfen einer Säge hervorbringt. Naumann hat einen das Wiehern eines Füllens bis zur völligen Täuſchung nachahmen hören; andere haben ſi< im Krähen des Haushahnes und im Ga>ern des Huhnes mit Erfolg verſucht. Die verſchiedenen, hier und da aufgeſhnappten Töne werden unter Umſtänden au< zu einem ſonderbar ſhwaßenden Geſange verbunden, der bald mehr, bald minder wohllautend ſein kann. „Einſt im Herbſte“, erzählt Roſenheyn, „ſeßte ih mi, von der Jagd ermüdet, im Walde unter einer hohen Birke nieder und hing in Gedanken den Erlebniſſen des Tages nach. Darin ſtörte mi in niht unangenehmer Weiſe das Gezwitſcher eines Vogels. So ſpät im Jahre, dachte ih, und no< Geſang in dem ſchon erſterbenden Walde? Aber wer und wo iſt der Sänger? Alle naheſtehenden Bäume wurden durhmuſtert, ohne daß ih ihn entde>en konnte, und dennoch klangen immer fräftiger ſeine Töne. Jhre große Ähnlichkeit mit der Singweiſe einer Droſſel führte mich auf den Gedanken, ſie müſſe es ſein. Bald erſchallten jedo< in kurz abgeriſſenen Säßen auh minder volltönende Laute als die ihrigen; es ſchien, als hätte ſih ein unſichtbarer Sängerkreis in meiner Nähe gebildet. Jh vernahm 3. B. ganz deutlich ſowohl den pi>enden Ton der Spehte wie auch den krächzenden der Elſter; bald wiederum ließ der Würger ſih hören, die Droſſel, der Star, ja ſelbſt die Nake: alles mir wohlbekannte Laute. Endlich erbli>te ih in bedeutender Höhe einen Häher! Er war es, der ſih in dieſen Nachahmungen verſuchte.“

Leider beſit der Häher andere Eigenſchaften, wodurch er ſih die gewonnene Gunſt des Menſchen bald wieder verſcherzt. Er iſt Allesfreſſer im ausgedehnteſten Sinne des Wortes und der abſcheuli<hſte Neſtzerſtörer, den unſere Wälder aufzuweiſen haben. Von Der Maus oder dem jungen Vögelchen an bis zum kleinſten Kerbtiere iſt kein lebendes Weſen vor ihm geſichert, und ebenſowenig verſchmäht er Eier, Früchte, Beeren und dergleichen. Jm Herbſte bilden Eicheln, Bucheln und Haſelnüſſe oft wochenlang ſeine Hauptnahrung. Die erſteren erweiht er im Kropfe, ſpeit ſie dann aus und zerſpaltet ſie; die leßteren zerhämmert ex, wenn auch nicht ganz ohne Mühe, mit ſeinem kräftigen Schnabel. Gelegentlih ſeiner Eicheldiebereien nüßt er in bef<hränktem Grade, indem er zur Anpflanzung der Waldbäume beiträgt. Jm übrigen iſt er durhaus niht nüßlih, ſondern nur \hädli<.

Lenz hält ihn für den Hauptvertilger der Kreuzotter und beſhreibt in ausführlicher Weiſe, wie ex jungen Kreuzottern, ſo oft er ihrer habhaft werden kann, ohne Umſtände den Kopf ſpaltet und ſie dann mit großem Behagen frißt, wie er ſogar die erwachſenen überwältigt, ohne ſi ſelbſt dem Giftzahne auszuſeßen, indem er den Kopf des Giftwurmes ſo ſicher mit Shnabelhieben bearbeitet, daß dieſer bald das Bewußtſein verliert und durch einige raſh aufeinander folgende Hiebe binnen wenigen Minuten getötet wird. Unſer Forſher ſtellt wegen dieſer Heldenthaten den Eichelhäher hoch und hat ihn ſogar in einem re<ht hübſchen Gedichte verherrlicht; aber die räuberiſche Thätigkeit gilt leider niht dem giftigen Gewürme allein, ſondern gewiß in noch viel höherem Grade dem nüglichen kleinen Geflügel. Seine Raubgier wird groß und klein gefährlih. Naumanns Bruder fand einen Eichelhäher beſchäftigt, eine alte Singdroſſel, die Mutter einer zahlreichen Kinderſchar, die fich, wie es ſchien, dieſer zuliebe aufgeopfert hatte, abzuwürgen, und derſelbe Beobachter traf ſpäter den Hähex als eifrigen und geſchi>ten Jäger junger Rebhühner an. Trinthammer und A. von Homeyer verdammen den Häher ebenſo, wie Lenz ihn hochpreiſt. „Was treibt dieſer fahrende Ritter“, fragt erſterer, „dieſer verſhmißte Burſche, der ſhmu>e Vertreter der Galgenvögelgeſellſchaft, die ganze Brutzeit hindur<h? Von Baum zu Baum, von