Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

456 Erſte Drdnung: VBaumvögel; ſiebzehnte Familie: Raben.

Buſch zu Buſh ſ{<weifend, ergattert er die Neſter, ſäuft die Eier aus, verſchlingt die na>ten Fungen mit Haut und Haar und haſcht und zerfleiſcht die ausgeflogenen Gelbſchnäbel, die noh unbeholfen und ungewigzigt ihn zu nahe kommen laſſen. Der Sperber und die drei Würger unſerer Wälder ſind zwar ebenfalls ſ{hlimme Geſellen, aber ſie alle zuſammen hauſen noh lange niht ſo arg unter den Sängern des Waldes wie der Häher. Er iſt der „Neunmalneuntöter‘, der Würger in des Wortes eigentlicher Bedeutung und als ſolcher ge: ſ<müd>t mit Federbuſh und Achſelbändern. Wo dieſer Strauhmörder überhandnimmt, iſt an ein Aufkommen der Brut niht mehr zu denken. Meine Beſchuldigung iſt gewiß niht zu hart; zum Beweiſe ſei hier ein ſ{<lagendes Beiſpiel ſeiner Frechheit angeführt.

„Seit einer Reihe von Fahren kam während der Brutzeit faſt jeden Morgen ein Häher in meinen Hausgarten, ſtöberte dort wie in den anſtoßenden Gärten Baumgruppen und Strauchwerk durch und zerſtörte ſofort die ausgekundeten Neſter. Auf einem meiner Bäume hatte von lange her ein Edelfink und im Stachelbeergebüſche eine Klappergra3mücdke geniſtet. Sie konnten beide kein Gehe>e mehr aufbringen und zogen ſi ſ{<ließlih ganz hinweg. Endlih machte der Räuber, deſſen unwillkommenes Erſcheinen mix jedesmal dur< das Gebaren aller befiederten Fnſaſſen verraten war, ſein ausgezeihnetes Meiſterſtü>. Er verfolgte junge Notſchwänzchen und kaperte eins nah dem anderen weg, ſo daß in kurzem keine Spur der niedlichen Vögelchen zu ſehen wax. Ein anderes Mal zerrte er aus einem Loche in der Brandmauer meines Nachbars einen halbflüggen Spaß hervor und zerlegte ihn ganz gemütlih auf dem nächſten Baume, bei welchem Frevel die Alten nebſt ihrer Sippſchaft ein gewaltiges Zetermordio erhoben, ja ſogar kühn auf den Räuber lospi>ten. Dies brachte ihn jedo< ebenſowenig wie mein Schelten und Hutſchwenken außer Faſſung; denn nath gehaltenem Fleiſ<hſ<mauſe fraß er no< zum Nahhtiſche einige Kirſhen und flog dann hohnſreiend in ſein Leibgehege zurü>. Wenn es dem Forſtwirte lieb iſt, daß die kleinen Waldvögel verwüſtende Raupen ableſen, was Menſchenhände keine8wegs zu ſtande bringen können, ſo wird es ihm ebenſo warm am Herzen liegen müſſen, auh den geſ{<hworenen Erbano dieſer freundlihen Raupenleſer, den blutgierigen Häher, in geſeßlicher Ordnung zu halten und ihm zu gebieten, bis hierher und niht weiter.“

JZ< muß mi, ſo gern ih den Häher im Walde ſehe, der Anſiht Trinthammers vollſtändig anſchließen und will nur noch hinzufügen, daß die hauptſählihſten Dienſte, die er zu leiſten vermag, dur<h den Buſſard viel beſſer und vollſtändiger ausgeführt werden, während dieſer die kleinen nüßlihen Vögel kaum behelligt.

Das Brutgeſchäft des Hähers fällt in die erſten Frühlingsmonate. Fm März beginnt das Paar mit dem Baue des Neſtes; Anfang April pflegt das Gelege vollſtändig zu ſein. Das Neſt ſteht ſelten hoh über dem Boden, bald im Wipfel eines niederen Baumes, bald in der Krone eines höheren, bald nahe am Schafte, bald außen in den Zweigen. Es iſt nicht beſonders groß, zu unterſt aus zarten, dünnen Reiſern, dann aus Heidekraut oder tro>enen Stengeln erbaut und innen mit feinen Würzelchen ſehr hübſch ausgelegt. Die 5—9 Eier ſind 80 mm lang, 23 mm di> und auf {mutig gelbweißem oder weißgrünlihem Grunde überall mit graubraunen Tüpfeln und Punkten, am ſtumpfen Ende gewöhnlih kranzartig gezeichnet. Nach etwa 16tägiger Bebrütung entſchlüpfen ihnen die Fungen, die zunächſt mit Räupchen und Larven, Käfern und anderen Kerbtieren, Würmern und dergleichen, ſpäter aber vorzugsweiſe mit jungen Vögeln aufgefüttert werden. Ungeſtört, brütet das Paar nur einmal im Fahre.

Als ſ{<limmſter Feind des Hähers iſt wohl der Habicht, nächſt dieſem der Sperber anzuſehen. Der erſtere überwältigt ihn leiht, der leßtere erſſt na< langem Kampfe. Wir haben wiederholt Sperber und Häher erhalten, die ſih bei einem derartigen Streite ineinander verkrallt und verbiſſen hatten, zu Boden geſtürzt und ſo gefangen worden waren.