Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

Halsbandfliegenfänger. Zwergfliegenfänger. 515

auf ſeinem Winterzuge Südchina, Formoſa und Fndien, vielleiht auh Nordafrika, iſt jedo< in vielen Ländern, in welchen er höchſt wahrſcheinlich ebenfalls lebt, no<h niht nahgewiejen worden. Man hat ihn einzeln in faſt allen Gegenden unſeres Vaterlandes beobachtet und überall aber als große Seltenheit, verzeihnet; es iſt jedo<h anzunehmen, daß er viel öfter vorkommt, als man glaubt. Fn Me>lenburg ſcheint er niht beſonders ſelten zu ſein; in der Mark und in Pommern brütet er regelmäßig; in Polen, Galizien und Ungarn iſt er ſtellenweiſe ſogar häufig. Aber der Zwergfliegenfänger gehört durchaus niht zu den auffallenden Vögeln, und dex, der ihn entde>en will, muß ein geübter Beobachter ſein. Waldungen mit hoc<ſtämmigen Buchen bilden ſeinen bevorzugten Aufenthalt. „Da, wo Edeltannen mit Rotbuchen im bunten Gemiſche ſtehen und dieſe Bäume ihre üppigen Zweige in hellgrünen und dunkeln Farben durcheinander weben, kurz da, wo die Sonne nur ſparſam ihre Strahlen bis auf den Untergrund des Bodens ſendet, und wo unter dem grünen Dache ein eigentümliches, heiliges Dunkel herrſcht, da“, ſagt A. von Homeyer, „iſt unſer Vögelchen zu Hauſe.“ Hier lebt er hauptſächli<h in den Kronen der Bäume und kommt nur gelegentli<h in die Tiefe herab. Lieblings8wohnſiße von ihm ſind Baumgruppen, die von dichtem Aufſchlage jüngerer Bäume begrenzt werden; denn in den Dickichten ſucht er bei ungünſtiger Witterung und namentlich bei ſtarkem Winde erwünſchte Zuflucht. Jn der Nähe bewohnter Gebäude findet er ſi< nur ausnahmsweiſe ein: er iſt ſo recht ein eigenlicher Bewohner des ſtillen Waldes.

Graf Wodzicki verſichert, daß er in ſeinem Betragen ein wahres Bindeglied ſei zwiſchen Laubſängern und Fliegenfängern und ebenſoſehr an die einen wie an die anderen erinnere; andere Beobachter behaupten, daß man den Fliegenfänger in ihm niemals zu verkennen im ſtande ſei, weil er im weſentlichen deſſen Gebaren zeige. „Der Zwergfliegenfänger“, ſchildert A. von Homeyer, „treibt ſih auf dürren Zweigen dicht unter dem grünen Blätterdache in einer Höhe von ungefähr 13—18 m über dem Boden mit beſonderer Vorliebe umher. Er hat nur ein kleines Gebiet; innerhalb deſſen aber gibt es keine Ruhe, wie man ſie ſonſt wohl von einem Fliegenfänger erwarten dürfte. Unſer Vogel erhaſht im Fluge ein Kerbtier, ſeßt ſi< zehn Schritt weiter auf einen Aſt, klingelt ſein Lied fliegt ſofort weiter, nimmt einen friechenden Kerf vom benachbarten Stamme für ſi< in Beſchlag, ſich dabei vielleicht ein wenig nach unten ſenkend, und ſteigt dann fliegend wieder bis unter das grüne Dach der Baumkronen empor. Hier ſingt er abermals, um ſi gleich darauf um 6 m gegen den Boden herabzuſtürzen, dem brütenden Weibchen einen Beſuch abzuſtatten und, wenn dies geſchehen, ſih wieder aufwärts zu ſhwingen. So geht es den ganzen Tag über. Am regſten und fleißigſten im Singen iſt er früh morgens bis 10 Uhr; mittags bis gegen 3 Uhr raſtet er; abends, bis Sonnenuntergang, aber iſt er in derſelben fröhlichen Weiſe thätig wie am Morgen.“ Der Loton, ein lauter Pfiff, der dem „Füit“ unſeres Gartenrotſ<hwanzes ähnelt, wird häufig in den Geſang verflochten. Dieſer beſteht aus einer Hauptſtrophe, die ſih dur< Reinheit der Töne auszeihnet. Baldamus bezeichnet ſie durch die Silben tink tink tink ei — da ei — da ei — da“ 2c. Nach A. von Homeyer iſt der Geſang „ein munteres, glo>enreines Liedchen, das jeden kundigen Hörer überraſcht, bezaubert und erfriſcht, am meiſten an den Schlag des Waldlaubſängers erinnert, den er jedoh an Mannigfaltigkeit und Klangfülle übertrifft, ſo daß leßterer da, wo beide Vögel zuſammenleben, vollſtändig in den Hintergrund tritt.“ Der Warnungston iſt ein gezogenes „Dirr“ oder „Zee“. Die Jungen rufen [iſix“. Wie bei vielen anderen Sängern kann übrigens über den Geſang ſowohl wie über die anderen Stimmlaute allgemein Gültiges kaum geſagt werden, weil die einzelnen Vögel hierin abweichen,

Da der Zwergfliegenfänger ebenfalls ſpät im Jahre bei uns eintrifft und ſchon ziemlih frühzeitig wieder wegzieht, fällt die Brutzeit erſt in die leßten Frühlingsmonate. Das

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