Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

518 Erſte Dronung: Baumvögel; einundzwanzigſte Familie: Shwalben.

ſehr feinen Baſtfäden, die höchſt ſorgfältig durcheinander geflochten ſind, ſo Daß die Außenſeite einem grobhaarigen Zeuge ähnelt. Die Neſtmulde, die kaum ein Vierteil des geſamten Baues einnimmt, iſt mit keinerlei weichen Stoffen ausgefüttert. Heuglin beobachtete im Bongolande im Fuli flügge Junge des Schleppenfliegenſhnäppers, die ſich längere Zeit auf einer Stelle in den Kronen der Hohbäume herumtrieben und von den Alten gefüttert wurden.

Die Shwalben (Hirundinidae) ſind klein, zierlich geſtaltet, breitbrüſtig, kurzhalſig und plattfköpfig. Der Sthnabel iſt kurz, platt, an der Wurzel viel breiter als an der Spitze, daher faſt dreie>ig, mit der Spite des Oberſchnabels etwas übergekrümmt, die Rachenöffnung bis gegen die Augen hin geſpalten, die Füße kurz, {hwa< und mit kleinen Nägeln ausgerüſtet, die Flügel lang, ſhmal und zugeſpißt, der Hand- wie der Armteil trägt je neun Schwungfedern, unter denen die erſte alle übrigen überragt, niht aber gänzlich fehlt; der Schwanz iſ ſtets, oft ſehr tief gegabelt, das Gefieder kurz, knapp anliegend und oberſeits meiſt metalliſ< glänzend. Beide Geſchlechter ſind hinſihtli<h der Färbung wenig verſchieden; die Jungen hingegen tragen kurze Zeit ein von dem ihrer Eltern abweichendes Kleid.

Die Schwalben, von welchen man ungefähr 120 Arten kennt, verbreiten ſi über alle Erdteile und über alle Höhen- und Breitengürtel, obſchon ſie jenſeits des Polarkreiſes nur vereinzelt und faum als Brutvögel leben. Viele von ihnen nehmen im Hauſe des Menſchen Herberge, andere ſiedeln ſih an Felſen: oder in ſteilen Erdwänden an, einige wählen Bäume zur Anlage ihres Neſtes. Sämtliche Arten, die in Ländern brüten, in welchen der Winter ſich vom Sommer erhebli unterſcheidet, ſind Zugvögel, wogegen diejenigen, welche in Ländern haufen, deren Jahreszeiten mehr oder weniger ſih gleichen, höchſtens innerhalb gewiſſer Grenzen hin und her ſtreihen. Wiederholt iſt behauptet und ſelbſt von tüchtigen Naturforſchern für möglih erachtet worden, daß einzelne Shwalben den Winter in kalten Gegenden, und zwar im Schlamme eingebettet als Winterſchläfer verbringen; ſolhen Angaben fehlt jedo<h jede Glaubwürdigkeit. Unſere deutſhen Schwalben ziehen bis in das Junere, ſelbſt bis in die ſüdlichſten Länder Afrikas, und ih ſelbſt habe ſie während meines fünfjährigen Aufenthaltes in dieſem Erdteile mit größter Regelmäßigkeit nah Süden hinab und wieder nah Norden zurü> wandern ſehen. Daß bei plößlih eintretender Kälte im Frühjahre oder im Herbſte einzelne Shwalben in Löchern Zuflucht ſuchen, hier in gewiſſem Grade erſtarren und dank ihrer Lebenszähigkeit wieder aufleben mögen, wenn ſie in die Wärme gebracht werden, will ih niht gänzlih in Abrede ſtellen; von einem Winterſchlafe aber iſt troß aller „glaubwürdigen Zeugen“ von Ariſtoteles her bis auf gewiſſe Beobachter unſerer Tage beſtimmt niht zu reden.

Man nennt mit Recht die Schwalben edle Tiere. Sie ſind leiblih und geiſtig wohl befähigt. Der Flug iſt ihre eigentliche Bewegung, ihr Gang auf dem Boden höchſt ungeſchi>t, jedo< immerhin weit beſſer no< als das unbeſchreiblih täppiſche Kriechen der anſcheinend ſo nahe verwandten Segler. Um auszuruhen, bäumen ſie gern und wählen ſich dazu <hwache, wenig belaubte Äſte und Zweige, die ihnen unbehindertes Zu- und Abfliegen geſtatten. Alle wirklihen Schwalben zählen zu den Singvögeln. Fhr Geſang iſt ein liebenswürdiges Geſhwäß, das jedermann erfreut und zumal den Landbewohner ſo anmutet, daß er dem Liede der in ſeinem Hauſe niſtenden Art Worte untergelegt hat. Wie der Landmann, ſo denken und empfinden alle übrigen Menſchen, die das Lied und den Vogel ſelbſt kennen lernten. Denn nicht der Klang aus Shwalbenmunde allein, auh das Weſen und Betragen der Schwalben haben ihnen die Zuneigung des Menſchen erworben. Sie ſind niht bloß heiter, geſellig, verträglich, ſondern auch klug und verſtändig, nicht bloß dreiſt, ſondern auch