Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

D2A Erſte Ordnung: Baumvögel; einundzwanzigſte Familie: Shwalben,

ſind no< mit nebeligem Grau umſchleiert: da ſtimmt hier und da ein Shwalbenmännchen ſein „Wirb werb‘ an, jezt no< ſtammelnd, dur viele Pauſen unterbrochen , bis erſt na< und na< ein zuſammenhängendes Liedchen entſteht, das der auf derſelben Stelle ſizen bleibende Sänger mehrmals wiederholt, bis er ſih endlih aufſ<hwingt und nun fröhlich ſingend das Gehöft durhfliegt. Ehe es dahin kommt, iſt ein Viertelſtunden vergangen, und nun erwachen auh die anderen S<hläfer: der Hausrötling girlt ſein Morgenliedchen vom Dache herab, die Spaßen laſſen ſih hören, die Tauben ru>ſen. und bald iſt alles Geflügel zu neuem Leben erwaht. Wer ſi< öfters eines {hönen Sommermorgens im ländlihen Gehöfte erfreute, wird beiſtimmen müſſen, daß dieſe Shwalbe mit ihrem obſchon ſchlichten, doh fröhlichen, aufmunternden Geſange viel zu den Annehmlichkeiten eines ſolchen beiträgt.“ Der Geſang ſelbſt fängt mit „wirb werb widewitt“ an, geht in ein längeres Gezwitſcher über und endet mit „wid weid woidä zerr“. Das Volk hat ihn in Worte überſeßt und unſerer edelſten Dichter einer des Volkes Stammeln im lieblihſten Gedichte verherrliht — wer kennt es niht das Schwalbenlied unſeres Rückert:

„„Aus der Jugendzeit, aus der Jugendzeit hi Klingt ein Lied mix immerdar 2c.“ deſſen eine Strophe: „Als i< Abſchied nahm, als i< Abſchied nahm, War'’n Kiſten und Kaſten \{<wer, Als ih wieder kan, als i< wieder kam, War alles leer.“

die eigentli<h volfstümlihe, die vom Volke ſelbſt gedihtete iſt.

Unter den Sinnen der Shwalbe ſteht das Geſicht obenan. Sie ſieht ein kleines Kerbtier, wenn es fliegt, ſhon in bedeutender Entfernung und jagt nux mit Hilfe des Auges. Auch das Gehör iſt wohl entwi>elt, und das Gefühl, ſoweit es ſih als Empfindungsvermögen kundgibt, gewiß niht in Abrede zu ſtellen. Über Geru<h und Geſhma> haben wir fein Urteil. Fhre geiſtigen Fähigkeiten werden vielleicht oft überſhäßt; Verſtand und Überlegung, wohl abgewogene Würdigung der Umſtände und Verhältniſſe, ſharfe Unterſcheidung von Freund und Feind, liebenswürdiger Übermut gefährlichen Geſchöpfen gegenüber und friedfertiges Zuſammengehen mit ſolhen, welche erfahrungsmäßig ungefährlich ſind, Eifer, anderen harmloſen Tieren irgendwie, ſei es dur<h wohl begründete Warnung oder durch ke>es Unterſuchen einer Gefahr, behilflich, dienſtbar zu ſein, und andere Beweiſe des Geiſtes und Züge des Weſens, welche die Schwalbe bekundet, laſſen dies erklärlih ſcheinen.

Kleine Kerbtiere mancherlei Art, vorzugsweiſe Zwei- und Neßflügler, Schmetterlinge und Käfer bilden auh die Nahrung dieſer Shwalbe; Jmmen mit Giftſtacheln frißt ſie nicht. Sie jagt nur im Fluge und zeigt ſich unfähig, ſißende Beute aufzunehmen. Deshalb gerät ſie bei länger anhaltendem Regenwetter, das die Kerfe in ihre Schlupfwinkel bannt, oft in harte Not und müht ſi< ängſtlih, die feſtſivenden dur<h nahes Vorüberſtreichen aufzuſcheuchen und zum Fliegen zu bringen. Je nah Witterung und Tageszeit jagt ſie in höheren oder tieferen Schichten der Luft und iſt deshalb dem Volke zum Wetterpropheten geworden. Gute Witterung de>t ihren Tiſch reihlih und erhöht ihren friſhen Mut, ſ{hle<tes Wetter läßt ſie darben und macht ſie ſtill und traurig. Sie bedarf, ihrer großen Regſamkeit halber, unverhältnismäßig viel an Nahrung und frißt, ſolange ſie ſich fliegend bewegt, Das Verzehrte verdaut ſie raſh; die unverdaulichen Überreſte der Mahlzeit, Flügelde>ten, Schilder und Beine der Kerfe, ſpeit ſie zu Gewöllen geballt wieder aus.

Durch Anlage und Bau des Neſtes unterſcheidet ſich die Rauhſhwalbe von ihren deut\hen Verwandten. Falls es irgend möglich, baut ſie das Neſt in das Junere eines Gebäudes, ſo, daß es von oben her durch eine weit überragende Decke geſhüßt wird. Ein