Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

550 Erſte Ordnung: Baumvögel; vierundzwanzigſte Familie: Tyrannen.

‘sulfuratus und flayus, Taninus und Pitangus sulfuratus, Abbildung S. 548), ſo genannt von ſeinem deutſamen Geſchrei. Er kennzeichnet ſih dur< fopflangen Schnabel, der entſchieden höher als breit, faſt kegelförmig geſtaltet, auf dem Firſte abgerundet, an der Spigze mit kräftigem Haken und daneben mit einer feinen, aber ſcharfen Kerbe verſehen iſt, kräftige Beine mit ſtarken und hohen Läufen, verhältnismäßig lange Flügel und leiht ausgeſhnittenen Shwanz, lange Zehen und ſihelförmige Krallen. Der Schnabel iſ von Borſten umgeben, die ſi< am ganzen Schnabelgrunde hinziehen und beſonders am Zügelrande ſehr ſtark ſind. Das Gefieder iſt derb und kleinfederig. Die Länge des Bentevi beträgt 26, die Fittihlänge 13, die Schwanzlänge 8 cm. Das Gefieder der Oberſeite iſt grünli<h ölbraun, das hollenartige der Scheitelmitte wie das der Unterſeite \hwefelgelb; die Stirn und ein Augenbrauenſtreifen, Kehle und Vorderhals ſind weiß, der übrige Scheitel, der Zügel und die Bakken ſ{hwarz, die Flügelde>federn, die Shwingen und die Shwanzfedern roſtrot gerandet, die Shwingen auh auf der Fnnenſeite breit roſtgelb geſäumt. Beim jungen Vogel ſind die Farben des Gefieders unſcheinbarer; der Scheitel iſt ganz {<hwarz, das Flügel- und Shwanzgefieder breit roſtrot geſäumt.

Der Bentevi, einer der bekannteſten Vögel Südamerikas, bewohnt Nordbraſilien, Guayana und Trinidad und tritt faſt allerorten, namentlih aber da, wo offene Triften mit Gebüſchen abwechſeln, ſehr zahlreih auf. Man ſieht ihn ſozuſagen auf jedem Baume und hört ſeine laute, durhdringende Stimme überall. Er ſcheut die Nähe der Wohnungen nicht, findet ſih deshalb au< in den Pflanzungen, am Rande der Gebüſche und Waldungen und ebenſo zwiſchen dem graſenden Rindviehe auf den Triften. Ein einzeln ſtehender Baum oder Strauch, ein erhabener Stein, eine Erdſcholle, ſelbſt der flahe Boden oder das dichteſte Geäſte einer Baumkrone bilden ſeine Warte, von der er ſih nah Beute umſchaut. Er iſt ein unruhiger, lebhafter, neugieriger und zänkiſher Vogel, der unter lautem Rufen eiferſüchtig ſein Weibchen verfolgt und ſih der Gattin halber auch oft mit ſeinesgleichen ſtreitet: S<homburgk behauptet ſogar, daß er mit ſeinen Artgenoſſen in ununterbrohenem Streite liege.

Sein immerwährendes Geſchrei, das von dem Männchen und dem Weibchen um die Wette ausgeſtoßen wird, erregt die Aufmerkſamkeit jedes Ankömmlinges und iſt von den Anſiedlern {hon längſt in verſchiedene Sprachen überſeßt worden. Jn Braſilien hat man es dur „ben-te-vii“, in Montevideo und Buenos Ayres durch „bien-te-veo“ („Jh ſehe di wohl“), in Guayana dur „„qu’est-ce, qu’'il-dit?“ übertragen, und der Vogel iſt wegen dieſer Äußerungen ſehr volkstümlih geworden. Aber er zieht no<h in anderer Weiſe die Beachtung des Menſchen auf ſih; denn auh er iſt ein e<ter Tyrann, der keinen Raubvogel ungeſchoren vorüberziehen läßt. „Niemals wird er fehlen“, verſichert der Prinz von Wied, „wenn es darauf ankommt, einen Raubvogel zu ne>en oder zu verfolgen.“ Es bleibt aber niht beim bloßen Ne>en und Anſchreien, ſondern der Bentevi geht auch zu Thätlichkeiten über, indem er von oben herab auf die Räuber ſtößt oder ſie überhaupt zu behelligen ſucht, ſo gut er eben kann.

Man ſagt dem Bentevi nah, daß er ſi<h niht mit Kerbtieren begnüge, ſondern auch leine Vögel aus dem Neſte hole, und dieſe Behauptung wird beſtätigt dur< eine Beobahtung Shomburgks, der bemerkte, daß dieſer Tyrann von kleineren Vögeln mit wildem Geſchrei verfolgt wurde. Daß ex wirklih Fleiſch frißt, unterliegt nah Azaras und d’Orbignys Verſicherungen keinem Zweifel; denn er kommt ſehr oft zu den Wohnungen heran und naſ<ht von dem zum Tro>nen aufgehängten Fleiſche, findet ſih auh ein, wenn die Geier einen Shmaus halten, und iſt flink bei der Hand, wenn von dieſen beim gierigen Losreißen der Muskeln ein Broken ſeitwärts geſchleudert wird. Seine Hauptnahrung bilden aber doch die Kerbtiere: der Prinz von Wied fand nur Überreſte von Käfern und Heuſchre>en in ſeinem Magen. Die Jagd auf dieſe Beute betreibt der Bentevi ganz nah