Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

Bentevi. — S<hmu>vögel: Allgemeines. 551

Art ſeiner Verwandten. Er ſchaut von ſeiner Warte aus ringsum, folgt dem erſpähten Kerbtiere fliegend nach, fängt auh das ſ<hnellſte mit bewunderungswürdiger Sicherheit, kehrt zu ſeinem Site zurü> und verzehrt es hier. Mit größeren Kerbtieren ſpielt er oft mehrere Minuten lang, wie die Kaße mit der Maus, bevor er ſie verzehrt. Wie andere Kerbtierjäger frißt auch er zeitweilig Beeren.

Gegen die Paarungszeit hin fliegt das Männchen dem erwählten oder zu kürenden Weibchen beſtändig nach, bietet alle Künſte des Fluges auf, ſpielt mit der Holle, ruft fortwährend und ſucht ſi in anderer Weiſe lieben8würdig zu machen. Nachdem ſi die Gatten geeinigt, ſchreiten ſie zum Baue des Neſtes, das ziemlich künſtlich gefertigt iſt. Der Prinz von Wied fand es im Frühjahre, d. h. Ende Auguſt oder Anfang September, in der Gabel eines dichten Strauches oder mäßig hohen Baumes. Es beſteht aus einem di>en, großen, runden Ballen von Moos, Blättern, Halmen und Federn, an dem ſih vorn ein kleiner, runder Eingang befindet. Das Gelege enthält 3—4 Eier, die auf blaß grünlichem Grunde, beſonders gegen das ſtumpſe Ende hin, mit zerſtreuten {warzen und blaugrünen Fle>en gezeihnet ſind. Daß der Bentevi während der Brutzeit ſtreitſüchtiger und mutiger iſt als je, braucht niht erwähnt zu werden: angeſichts ſeines Neſtes iſt er ein wahrer Tyrann.

Gefangene Häſcher gelangen neuerdings niht allzu ſelten au< in unſere Käfige und erwerben ſi infolge ihres ſtolzen Selbſtbewußtſeins, ihrer fabelhaften Fluggewandtheit, die dur ein wunderbar ſcharfſichtiges Auge unterſtüßt, geleitet und geregelt wird, und dur ihre Ausdauer die Zuneigung jedes Pflegers.

Schon Molina, der erſte Naturbeſchreiber Chiles, erwähnt eines in hohem Grade merk: würdigen ſüdamerikaniſhen Vogels und berichtet über deſſen Lebensweiſe ſonderbare Dinge. „Dex Pflanzenmähder“, ſagt er, „nährt ſi<h von Kräutern, hat aber die böſe Cigenſchaft, ſie niht eher zu freſſen, als bis er den Stengel diht an der Wurzel abgeſägt hat. Oft ſchneidet er Pflanzen bloß zum Zeitvertreibe ab, ohne ein Blatt davon zu freſſen. Die Einwohner befehden ihn daher ohne Unterlaß und geben den Knaben, die ſeine Eier ausnehmen, eine gute Belohnung. Da ihm dieſe Nachſtellung bekannt iſt, baut er ſein Neſt in die dichteſten Bäume und an ſchattige, wenig beſuchte Orte. Ungeachtet dieſer Vorſicht hat er ſih ſehr vermindert, und von dem Eifer, mit welchem ihn die Einwohner auszurotten ſuchen, darf man ſchließen, daß er ſi< niht mehr erhalten wird, falls ſeine Nachkommenſchaft niht unterlaſſen ſollte, ihren böſen Namen zu bethätigen.“

Lange Zeit hielt man die von dem Vogel verübten Übelthaten für eine der Fabeln, die Fremden erzählt und von dieſen geglaubt zu werden pflegen; neuere Beobachtungen aber haben ergeben, daß wenigſtens etwas an der Sache iſt. Boe, Freiherr von Kittliß, d'Drbigny und Landbe> ſind es, die Molina in gewiſſer Hinſicht rechtfertigen. Die Pflanzenmähder eröffnen die Familie der Shmu>vögel (Ampelidae) und werden als Vertreter einer beſonderen Unterfamilie (Ph ytotominae) aufgefaßt, ähneln einzelnen Papageifinken, mehr aber no< gewiſſen Fruchtvögeln, unterſcheiden ſi aber von den einen wie von den anderen dur< weſentliche Merkmale, insbeſondere dur<h den Bau ihres Schnabels. Dieſer iſt kurz, ſtark, ebenſo breit wie hoch, gegen die Spiße hin allmähli< zuſammengedrü>t, auf dem Firſte gewölbt, an den Schneiderändern eingezogen und vor ihnen mit deutlicher Zahnkerbe, in der vorderen Hälfte aber mit feinen Sägezähnen ausgerüſtet; der an der Wurzel wulſtig vortretende, breite Unterkiefer iſt vorn ebenfalls gezähnelt, der kräftige, langzehige, vorn getäfelte Fuß mit ſtarken Nägeln bewehrt, der