Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

568 Erſte Drdnung: Baumvö gel; ſiebenundzwanzigſte Familie: Leierſ<hwänze.

Verſchmachten befreien kann; denn Hilfe iſt unmöglich.“ An ſolchen Orten hört man den Leierſhwanz überall aber man hört ihn eben nur. Gould verweilte tagelang in den Gebüſchen, war von Vögeln umgeben, hörte ihre laute, helle Stimme, vermochte aber nicht, einen von ihnen zu Geſicht zu bekommen, und nur die rüdſi<htsloſeſte Ausdauer und die äußerſte Vorſicht belohnten ſpäter ſeine Bemühungen.

Dieſe Schwierigkeit, ſi< dem vorſichtigen Geſchöpfe zu nähern und ſozuſagen mit ihm zu verkehren, läßt es begreiflich erſcheinen, daß wir tros aller Jagdgeſchichten, welche die Reiſenden uns mitgeteilt haben, ein flares Bild der Lebensweiſe, des Betragens der Gewohnheiten und Sitten des Leierſhwanzes noh niht haben gewinnen fönnen. Alle Beobachter ſtimmen in dem einen überein, daß der Vogel den größten Teil ſeines Lebens auf dem Boden zubringt und nur höchſt ſelten ſi zum Fliegen bequemt. Laufend dur{mißt er die ungeheuern Waldungen, eilt er über liegende Baumſtämme oder ſelbt dur< deren Gezweige hin, klimmt er an den ſtarren und rauhen Felswänden empor; ſpringend erhebt er ſih plöglih bis zu 3 m und mehr über den vorher eingenommenen Stand, ſenkt er ſih von der Höhe der Felswände zur Tiefe herab, und nux wenn er den Grund einer Felsſpalte beſuhen will, nimmt er zu den Schwingen ſeine Zuflucht. Bartlett, der einen Leierſhwanz pflegte, nennt ihn einen der unruhigſten und beweglihſten aller Vögel und die Shnelligkeit ſeines Laufes geradezu erſtaunlich, um ſo mehx, als er ſehr weite Entfernungen mit unvergleihliher Hurtigkeit und Gewandtheit durhmißt. Bei eiligem Laufe trägt er ſih wie ein Faſan, den Leib ſehr geſtre>t, den Kopf vorn übergebeugt, den langen Schwanz wagerecht und zuſammengelegt gehalten, weil dies die einzige Möglichkeit iſt, das Buſchdi>kicht zu durhmeſſen, ohne ſeinen prähtigſten Shmu> zu beſchädigen. Morgens und abends iſt er am thätigſten, während der Brutzeit aber treibt er \ich auch in den Mittagsflunden auf beſonders vorgerihteten Pläßen umher. Jedes Männchen wirft ſcharrend kleine Hügel auf und bewegt ſih auf ihnen nah Art balzender Hühner, indem es unabläſſig auf jenen Hügeln umhertritt, dabei den Shwanz emporhält ihn äußerſt zierlih ausbreitet und ſeinen Gefühlen außerdem durch die verſchiedenſten Laute Ausdru> gibt. Die Stimme iſt, den entwi>elten Singmuskeln durchaus entſprechend, außerordentlich biegſam, der gewöhnliche Lo>ton laut, weitſchallend und ſchrillend der Geſang je nah der Örtlichkeit verſchieden, weil ein Gemiſh von eignen und von erborgten oder geſtohlenen Lauten. Der eigentümliche Geſang ſcheint eine ſonderbare Bauchrednerei zu ſein, die man nur hören kann, wenn man dem Sänger ſelbſt bis auf einige Schritte nahe iſt. Die einzelnen Strophen ſind lebhaft, aber verworren, brechen oft ab und werden dann mit einem tiefen, hohlen und kna>enden Laute geſchloſſen. „Dieſer Vogel“, ſagt Beer in vollkommenſter Übereinſtimmung mit anderen Beobachtern, „beſißt wohl die größte Gabe, Töne aller Art naczuahmen. Um einen Begriff zu geben, wieweit dieſe Fähigkeit geht, führe ih Folgendes an: Jn Gippsland ſteht nahe dem ſüdlichen Abhange der auſtraliſchen Alpen eine Holzſchneidemaſchine. Dort hört man an ſtillen Sonntagen fern im Walde das Bellen eines Hundes, menſchliches Lachen, Geſang und Gekreiſh von vielen Vögeln, Kindergeſchrei und dazwiſchen das ohrenzerreißende Geräuſch, welches das Schärfen einer Säge hervorruft. Alle dieſe Laute und Töne bringt ein und derſelbe Leierſhwanz hervor, welcher unweit der Shneidemaſchine ſeinen Ruheſiß hat.“ Gegen die Brutzeit hin ſteigert ſich ſeine Nachahmungs[uſt noch bedeutend; er erſeßt dann, wie die Spottdroſſel Amerikas ein ganzes Heer von ſingenden Vögeln. Fremden Geſchöpfen gegenüber bekundet der Leierſhwanz die äußerſte Vorſicht; es ſcheint aber, daß er den Menſchen noch ängſtlicher flieht als die Tiere. Mit ſeinesgleihen vereinigt er ſich niemals: denn man trifft ihn immer paarweiſe an und beobachtet, daß zwei Männchen, die ſich begegnen, augenbli>li< miteinander in den heftigſten Streit geraten und ſih erbittert umhexjagen.