Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

570 Erſte Ordnung: Baumvögel; ahtundzwanzigſte Familie: Spechte.

zu ſeiner Größe benahm es ſih ungemein hilflos; ſein Gang hatte, obgleich die Beine ſhon ſehr entwidelt waren, etwas äußerſt Ungeſchi>tes; es erhob ſih ſ<werfällig, rannte zwar, fiel aber öfters zu Boden. Wohl durch die Wärme angelo>t, ſtrebte es beſtändig, ſich dem Lagerfeuer'zu nähern, und erforderte deshalb ſtete Aufſicht. Sein Schrei, ein lautes „Tſching tſching“, wurde oft gehört; antwortete ſein Pfleger mit „bullan bullan“, dem Locktone des Alten, ſo kam es herbeigelaufen und konnte mit dieſen Lauten förmlich geleitet werden. Nach kurzer Zeit war es ſehr zahm geworden. Ameiſenpuppen fraß es mit Begierde, verſ<hmähte aber au< Brotkrumen und Fleiſchſtü>chen niht. Zuweilen las es ſich ſelbſt Ameiſenpuppen vom Boden auf, mühte ſi< dann aber vergeblich, ſie zu verſ<hlingen. Waſſer trank es ſelten. Zum Ruhen richtete man ihm ein Neſt aus Moos her und kleidete es innen mit einem Phalangiſtenfelle aus; in dieſem Neſte ſchien es ſi< ſehr behaglih zu fühlen. Während des Schlafes verbarg es den Kopf unter einen Flügel; rief man „bullan bullan“, ſo erwachte es zwar, ſah ſih auh wohl einige Augenbli>e um, nahm aber die beſchriebene Lage bald wieder an und bekümmerte ſih dann um kein Rufen mehr. Leider ſtarb es am achten Tage nach ſeiner Gefangennahme. Verſchiedene Verſuche, jung dem Neſte entnommene Leierſchwänze aufzuziehen, gelangen beſſer; aber erſt im Fahre 1867 kam der erſte lebende Vogel dieſer Art in den Tiergarten zu London.

Gould und andere Beobachter nennen den Leierſchwanz den ſheueſten Vogel der Erde. Das Knaten eines Zweiges, das Rollen eines kleinen Steines, das geringſte Geräuſch treibt ihn augenbli>lih in die Flut und vereitelt alle Anſtrengung des Jägers. Dieſer muß niht nur über Felsklippen und umgeſtürzte Baumſtämme klettern, zwiſchen und unter den Zweigen mit ängſtlicher Vorſicht dahinkriehen, ſondern darf auh nur dann vorrü>en, wenn der Vogel beſchäftigt iſt, das heißt im Laube ſcharrt oder gerade ſingt. Er muß auf jede Bewegung ein wachſames Auge haben und ſelbſt durchaus bewegungslos bleiben, ſobald er glaubt, daß der Leierſhwanz ihn bemerken könne; denn die allergeringſte Bewegung, die dieſer ſieht, verſcheucht ihn ebenſo ſicher wie Geräuſch, das er vernimmt. Nux ausnahmsweiſe trifft er einzelne an, die nicht ganz ſo vorſichtig ſind und ſi beſchleihen laſſen. Sehr behilflih wird ein gut geſchulter Hund, welcher den Vogel ſtellt und deſſen Aufmerkſamkeit von dem Jäger abwendet. Alte, abgefeimte Buſchleute befeſtigen den vollſtändigen Shwanz eines Männchens auf dem Hute, verbergen ſih im Gebüſche und bewegen nun in beſtimmter Weiſe den Kopf und damit ſelbſtverſtändlih au< den ſonderbaren Kopfpus, bis es der zu jagende Leierſhwanz bemerkt. Dieſer vermutet, daß ein anderes Männchen in ſeinem Gebiete eingedrungen ſei, kommt eiferſüchtig herbei und wird ſo erlegt. Ft er durch ſeine Umgebung verborgen, ſo veranlaßt ihn jeder ungewöhnliche Ton, ein Pfiff zum Beiſpiel, ſi zu zeigen. Er läuft dann nach dem erſten, beſten Plage hin, der eine Umſchau gewährt, und verſucht von hier aus die Urſache des Geräuſches zu entde>en. Andere Jäger üben ſih den Lockton des Leierſchwanzes ein und rufen, wenn ſie ihre Sache verſtehen, jedes Männchen mit Sicherheit zu ſih heran.

Als ein den Sperlingsvögeln und Trugſängern nächſtverwandtes Geſchlecht betrachtet Fürbringer das der Spechtvögel (Pici), dem er neben den Spechten noh die Spähvögel, Pfefferfreſſer und Bartvögel, alſo vier Familien von Kleinvögeln, zurechnet, deren Zuſammengehörigkeit in erſter Reihe durch Eigentümlichkeiten des inneren Leibesbaues beurkundet wird. Ju der Lebensweiſe zeigen dieſe Familien wenig Übereinſtimmendes.